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Bistum Magdeburg

Wieso wird "Affenkinder" zusammen geschrieben?

Sprachpaten der Caritas Halle helfen Ausländern bei den Kniffen der deutschen Sprache

Hilfe beim Deutsch-Lernen, Bärbel Wilke-Danewa (m.) mit Rosa und Mesgien Halle (pj) - "Ich will nicht in die siebte Klasse gehen, das ist alles so schwer!", sagt Mesgien. "Nein, Deutsch ist schwer", meint ihre ältere Schwester Rosa. Rosa ist siebzehn, Mesgien fünfzehn. Jeden Mittwoch kommen die kurdischen Mädchen in das Caritas-Haus in Halle und bringen ihre Fragen und Probleme mit der deutschen Sprache und ihr Deutschbuch aus der Schule mit. Dort treffen sie Bärbel Wilke-Danewa.
Die Rentnerin und frühere Russischlehrerin ist seit einigen Wochen ihre "Sprachpatin". Seit 1999 vermittelt der hallesche Caritasverband mit Hilfe der örtlichen Freiwilligenagentur solche Sprachpatenschaften. "Die Idee kommt aus dem Bereich der Migrantenberatung", erzählt Cornelia Abraham, zuständig für die Patenschaften. Alles begann damit, dass ein Kurde in der Beratung fragte, ob ihm nicht jemand helfen könnte, deutsch zu lernen. Die Sprachpatenschaften sind intensiver als Sprachkurse in großen Gruppen. "Dort treffen alle Altersgruppen und völlig unterschiedliche Lernmotivationen aufeinander", so Cornelia Abraham. Logisch, dass es dann schwer ist, ein individuelles Sprachgefühl zu entwickeln. Im Einzelgespräch mit den Sprachpaten kann dagegen das Gelernte gleich angewandt werden. Cornelia Abraham imponiert vor allem die Selbstdisziplin der Ausländer bei den Treffen mit ihren Paten: "Die sind unheimlich zielstrebig und lernwillig." Wenn erst einmal die Hemmschwelle überwunden ist, entsteht oft ein freundschaftliches Verhältnis zwischen Sprachpaten und Ausländern. Die Paten sind nicht mehr nur Lehrer, sondern werden zur Kontaktperson. Das freut Cornelia Abraham besonders: "Da kommen dann oft Sorgen zur Sprache, die in der Migrantenberatung nicht angesprochen werden." Lernende sind aber nicht nur die Ausländer. Durch die Gespräche erfahren die Sprachpaten eine Menge über Länder und Kulturen ihrer Schüler.
Seit 1998 sind Rosa und Mesgien Dawood mit ihrer Familie in Deutschland. Halle ist die dritte Station nach Braunschweig und Halberstadt. Die syrischen Kurden mussten ihr Land verlassen, weil dort ihre Religion - Sie sind Yeziden - von der muslimischen Bevölkerungsmehrheit nicht toleriert wird. "Wir sind selbst in unserem Land Ausländer", so Rosa, "die Muslime sind akzeptiert, wir nicht." Als die achtköpfige Familie nach Deutschland floh, hatte Rosa noch nie richtig die Schule besuchen dürfen: "Ich war nur eine Woche dort. Dann haben sie bemerkt, dass ich Kurdin und Yezidin bin und haben mich geschlagen", erzählt sie. Auch wenn die Dawoods glücklich waren, endlich ihr Land und die Angst vor Verfolgung hinter sich gelassen zu haben - in Deutschland standen sie sofort vor riesigen Problemen. Das größte war sicher, dass sie kein Wort deutsch verstanden. Es hat ein halbes Jahr gedauert, bis sie soweit waren, in die Schule gehen zu können. Rosa ist jetzt in der siebten, Mesgien in der vierten Klasse. "Peinlich" findet sie es, mit fünfzehn noch in der vierten zu sein. Deutsch sprechen die Kinder der Dawoods inzwischen ziemlich gut; sie müssen oft für die Eltern auf Behörden dolmetschen. Aber der Deutschunterricht in der Schule bringt immer wieder neue Schwierigkeiten. Zum Beispiel: Woran erkennt man ein Substantiv? In Rosas Hefter steht dazu: "Substantive sind deklinierbar, artikelfähig und attributierbar." Damit hat selbst ein Deutscher so seine Probleme... Und nicht selten kriegt Rosa im Unterricht zu hören: "Das habt ihr aber schon in der vierten Klasse gehabt!" Rosa hatte es eben nicht, deshalb ist der wöchentliche Treff mit Bärbel Wilke-Danewa so wichtig. Sie erklärt den beiden Mädchen ruhig, wie man nach Subjekt und Prädikat oder nach dem Akkusativ fragt, warum "morgen" groß und klein geschrieben werden kann und, dass es im deutschen ganz typisch ist, Wörter einfach zusammenzusetzen, etwa Affenkinder oder Mauseloch. "Heißt es eigentlich die Mauseloch oder das Mauseloch - die Mauseloch, oder?" - "Nein, der Artikel vor zusammengesetzten Substantiven richtet sich immer nach dem letzten Wort, wie ist das dann eigentlich bei Mauselocheingang und Mauselocheingangstür?"

Und dann gibt's da noch ein ganz aktuelles Problem: "Mit wieviel "f" schreibt man eigentlich "Schiffahrt?" Rosa ist das aber erstmal ziemlich egal. "Ich brauche keine neue Rechtschreibung, Hauptsache ich schreibe deutsch!"

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 15 des 51. Jahrgangs (im Jahr 2001).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 15.04.2001

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