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Helfer, die fast niemand haben will

Sterbebegleitung ist in Görlitz bisher wenig gefragt

 HospizDennoch sieht der Christliche Hospizdienst einen Bedarf für sein Angebot. Koordinatorin Elisabeth Lorenz erläutert im Gespräch mit dem TAG DES HERRN das Dilemma.

Frage: Frau Lorenz, Ihnen fehlt die Nachfrage für Ihr kostenloses Angebot. Woran liegt das?

Lorenz: Ein bisschen scheint es an der Mentalität in der Görlitzer Region zu liegen. Viele können sich einfach nicht vorstellen, dass ein Fremder in die Wohnung kommt, um einen Sterbenden zu begleiten. Aber ich weiß auch von anderen Initiativen, dass am Anfang die Nachfrage schwach oder gar nicht vorhanden war. Ich denke, das braucht eine gewisse Zeit, das muss sich erst allmählich herumsprechen. In dieser Form war das ja zu DDR-Zeiten überhaupt nicht denkbar. Vielleicht wissen viele einfach nicht, was ein Hospizdienst macht.

Frage: Erklären Sie es doch mal!

Lorenz: Wir besuchen allein stehende sterbende Menschen, weil wir niemanden einsam sterben lassen möchten, der Ängste hat und nicht allein sein will. Außerdem möchten wir Angehörige durch praktische Hilfe entlasten und versuchen eine Brücke zu bauen zwischen Angehörigen und Sterbenden, zwischen denen kein Gespräch möglich ist oder das Thema "Tod" verdrängt wird. Darüber hinaus stehen wir sowohl den Sterbenden als auch den Angehörigen als Gesprächspartner zur Verfügung.

Frage: Wie sieht das konkret aus?

Lorenz: Wenn Angehörige sich an uns wenden, gehe ich als Koordinatorin zu der betreffenden Familie hin, stelle mich vor und biete meine Hilfe an. In der Regel spreche ich nicht von Sterbebegleitung, weil ich die Erfahrung gemacht habe, dass allein dieses Wort den Kranken schon Angst macht. Ich sage stattdessen: "Wir möchten Sie gerne un- terstützen, wenn Sie jetzt schwächer werden und nicht mehr so viel Kraft haben und ihre Angehörigen stärker beansprucht werden." Je nach Situation mache ich den zweiten Besuch dann zusammen mit einem Helfer oder einer Helferin oder nochmal alleine. Danach besucht der Helfer den Sterbenden etwa einmal in der Woche -wenn sein Gesundheitszustand bereits sehr schlecht ist, auch häufiger.

Frage: Und was passiert bei diesen Besuchen?

Lorenz: Es gibt da so eine Devise bei uns: Der Sterbende hat die Regie. Wir sind einfach da, versuchen, so wenig wie möglich zu handeln, also mit den Händen zu tun. Stattdessen machen wir unser Ohr ganz weit auf für den Kranken: "Was wünscht du dir jetzt von mir? Ich bin da für dich und ich hab jetzt Zeit für dich. Wenn du kannst, gehe ich noch mit dir spazieren. Wenn du möchtest, lese ich dir was vor." Dann kommen manchmal wunderbare Gespräche zustande. Aber wir können auch Stille aushalten. Das kommt ganz auf den Patienten an: Es gibt Sterbende, die überhaupt nicht über das Thema Tod reden wollen. Da sind wir die letzten, die unbedingt zu diesem Thema hinführen möchten.

Frage: Die Begleitung des Sterbenden ist die eine Seite. Als Hospizdienst kümmern Sie sich aber auch um die Angehörigen.

Lorenz: Ja, und die brauchen uns oft sogar mehr als die Sterbenden, wie wir immer wieder festgestellt haben. Die Sterbenden sind oft schon viel weiter auf dem Weg. Die Angehörigen rennen immer hinterher und wollen den Kranken festhalten, sie können nicht loslassen. Sie versuchen noch alles Mögliche zu tun, um das Leben und damit oft das Leiden zu verlängern, schalten zum Beispiel noch einen Arzt ein. Aber das wollen Sterbende oft gar nicht.

Frage: Was kann ein Hospizhelfer in einer solchen Situation tun?

Lorenz: Wir versuchen, den Angehörigen klar zu machen, dass es jetzt darum geht, Abschied zu nehmen. Wir können ihnen vormachen, wie das aussehen kann. Manchmal reicht es zum Bei- Der Christliche Hospizdienst Görlitz ist ständig unter Telefon (01 72) 3 56 67 78 zu erreichen. spiel, die Hand unter den Kopf des Sterbenden zu legen, um ihn spüren zu lassen, dass jemand bei ihm ist.

Frage: An wen wendet sich der Christliche Hospizdienst eigentlich? Nur an Christen?

Lorenz: Nein, wir sind offen für alle. Das betonen wir immer wieder. Aber wir wollen den Menschen die Grundhaltung, aus der heraus wir handeln, mitteilen.

Frage: Wie sieht dieses Mitteilen aus?

Lorenz: Wir wollen niemanden missionieren. Aber wenn mich Angehörige zum Beispiel fragen: "Was kostet das?"und "Warum machen Sie das umsonst?", dann kann ich da anknüpfen. Dann sage ich: "Das mache ich aus meiner christlichen Grundeinstellung heraus. Weil ich weiß, dass ich selber von Gott an der Hand genommen bin, möchte ich auch anderen helfen, diese Hand zu spüren."

Fragen: Karin Hammermaier

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 7 des 52. Jahrgangs (im Jahr 2002).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Donnerstag, 14.02.2002

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