Zeitzeugen aus Kirche und Politik gefragt
Zwei Studien über die Caritas in der DDR
Die Arbeit der Caritas unter den Bedingungen des DDR-Staates steht im Mittelpunkt von zwei Büchern, die der Wissenschaftliche Mitarbeiter der Kommission für Zeitgeschichte in Bonn, Christoph Kösters, im Paderborner Schöningh-Verlag publiziert hat.
In dem Sammelband "Caritas in der SBZ / DDR 1945-1989" diskutieren Zeitzeugen aus Politik und Kirche mit Historikern über die Handlungsspielräume des katholischen Wohlfahrtsverbandes in der sozialistischen Gesellschaft, die Verbindungen zur Bundesrepublik und speziell die Kontakte von hohen Caritasmitarbeitern zum Staatssicherheitsdienst. Das 257 Seiten starke Buch dokumentiert Tagungsbeiträge und Gesprächsergebnisse.
Lange Forschungsarbeit jetzt dokumentiert
In einem zweiten, parallel zum Sammelband entstandenen Buch "Staatssicherheit und Caritas 1950-1989" dokumentiert Kösters die Ergebnisse seiner eigenen, jahrelangen Forschungsarbeit in den Archiven von Caritas und DDR-Behörden. Skizziert wird das Spannungsverhältnis zwischen Staatssicherheit und ihren mehr als 250 000 hauptamtlichen und inoffiziellen Mitarbeitern sowie der Caritas im Verlauf der 40- jährigen SED-Herrschaft: Die Studie blickt auf Polizeiaktionen gegen Kinderheime, Verhaftungen, die -nach Auffassung Kösters insgesamt erfolglose -Werbung "Inoffizieller Mitarbeiter" wie auch die direkten Kontakte kirchlicher "Gesprächsbeauftragter" zum Ministerium für Staatssicherheit (MfS) und ihre Bedeutung für den humanitären Einsatz im Rahmen des Häftlingsfreikaufs und der Familienzusammenführung. Insgesamt kommt Kösters zu dem Schluss, dass es der SEDDiktatur nicht gelungen ist, die Arbeit der Caritas entscheidend zu beeinflussen, geschweige denn völlig an den Rand zu drängen. Allerdings bleibt die Frage offen, die auch der heutige Kölner Kardinal und ehemalige Berliner Erzbischof Joachim Meisner im Rückblick nicht für sich beantworten konnte: Wie weit die Caritas mit ihren sozialen Angeboten und ihren innerdeutschen Aktivitäten dazu beigetragen hat, das DDR-Regime indirekt über lange Zeit zu stabilisieren.
Der Autor sieht drei Phasen in der Geschichte von Stasi und Caritas und benennt sie als Gewaltsame Repression (1950-1961), Pragmatische Koexistenz (1961-1968) und Partielle Kooperation (1968/71-1989). In fünf unterschiedlich gewichteten Abschnitten beschreibt Kösters die Konfliktlinien von Caritas und Staatssicherheit in der DDR und den wechselhaften Spielraum des katholischen Verbandes, der für die Stasi als regimeunabhängige Organisation mit eigenen Krankenhäusern und Heimen höchst verdächtig war. Nachdem er im ersten Abschnitt den Grundkonflikt zwischen Caritas und sozialistischer Diktatur beschreibt, unternimmt der Autor im zweiten Abschnitt eine äußere Bestandsaufnahme von Überwachung und konspirativer Durchdringung der Caritasführung. Der dritte Abschnitt bildet den Schwerpunkt seiner Studie und beschreibt die "Phasen und Spannungslinien in der Geschichte von Staatssicherheit und Caritas". Eine zusammenfassende Bewertung und ein Ausblick auf die Forschungsperspektiven beschließen diese Studie.
Vorgesetzte mussten informiert werden
In seiner äußerst faktenreichen und deshalb nicht immer leicht zu lesenden Studie zeigt der Autor, dass in der katholischen Kirche der Grundsatz galt, dass kirchliche Mitarbeiter ihre Kontakte zur Staatssicherheit dem jeweiligen Vorgesetzten zu melden hatten, um der Konspiration zu entgehen. Gleichzeitig verfolgte die Kirche die spezielle Linie, dass sie jeden Gesprächskontakt zur SED aus weltanschaulichen und politischen Gründen ablehnte und eine allgemeine Gesprächsbeauftragung mit dem MfS durch den Bischof praktizierte.
Geführt als "Inoffizieller Mitarbeiter"
Besonders intensiv untersucht Kösters die Kontakte der maßgeblichen Caritasvertreter in Ost-Berlin Johannes Zinke (1946-1968), Otto Groß (1968-1974), Theodor Hubrich (1968-1974), Norbert Kaczmarek (1970-1977) zu den für die Kirchenpolitik zuständigen staatlichen Organen. Die letzteren Drei wurden bemerkenswerter Weise trotz ihrer kirchlichen Gesprächsbeauftragung als Inoffizielle Mitarbeiter bei der Staatssicherheit geführt.
Aufschlussreich ist auch die Darstellung der so genannten Kirchengeschäfte mit der DDR-Regierung, in denen die Caritas und der Bereich Kommerzielle Koordinierung unter Alexander Schalck-Golodkowski, aber auch Rechtsanwalt Wolfgang Vogel, eine zentrale Rolle spielten.
kna
Christoph Kösters: Staatssicherheit
und Caritas 1950-1989,
Schöningh-Verlag, Paderborn
2001, ISBN 3-506-74792-4, Preis: 15,80 Euro
Christoph Kösters (Hrsg.): Caritas
in der SBZ/DDR 1945-1989,
Schöningh-Verlag, Paderborn
2001, ISBN 3-506-74791-6,
Preis: 15,80 Euro
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Donnerstag, 14.02.2002