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Auf zwei Minuten

Geben ist seliger als Nehmen

Darf denn die Freude des Nächsten nicht auch unsere Freude werden?

Pater DamianFrau Z. ist dafür bekannt, dass sie ihren Verwandten, Freunden und Bekannten bei verschiedenen Gelegenheiten kleine Geschenke überreicht oder zuschickt. Sie selbst ist nicht reich, lebt ganz bescheiden in einer kleinen Wohnung. Beim Einkaufen achtet sie auf preiswerte Sonderangebote und entdeckt Dinge, mit denen sie im Laufe des Jahres anderen eine Freude machen könnte. Sie sagte mir: "Das ist wirklich meine schönste Freude, zu sehen, wie andere sich darüber freuen." Das mag im ersten Augenblick recht selbstsüchtig klingen, doch sie handelt nicht aus Berechnung. Darf denn die Freude des Nächsten nicht auch unsere Freude werden? Beim Abschiednehmen von der Gemeinde in Ephesus sagt Paulus: "Geben ist seliger als nehmen" (Apg 20,35). Er kennt diesen Spruch als Jesuswort; es ist aber in den Evangelien nicht überliefert. Es kann auch so übersetzt werden: "Geben macht mehr Freude als nehmen", oder auch: "Auf dem Geben liegt mehr Segen als auf dem Nehmen." Der Dichter Peter Maiwald bevorzugt in seiner Lyrik und seinen Geschichten scheinbar simple, volkstümliche Formen, doch was er zu sagen hat, sind lebenserfahrene Weisheiten. Eine seiner "Kalendergeschichten" mit dem Titel "Der Freudespender" hat zu unserem Thema einiges zu sagen: "Am Morgen trägt er schwer an seinem Koffer und teilt aus: Einen Mantel für den, der friert, ein Brot für die, die hungern, Getränke gegen den Durst, Schokolade für Kinder, ein Wort für den Sprachlosen, eine unerhörte Musik für den Tauben, eine leuchtende Farbe für den Blinden. Gegen Abend ist er erleichtert. Was machen Sie jetzt, wird er gefragt. Ich komme zu mir, sagt der Freudespender. Dann steigt er in den leeren Koffer, schließt ihn und schläft sofort ein, tief und ohne Bedrückung. Wir rätseln alle, wer ihm über Nacht den Koffer füllt. Den Seinen gibt's der Herr im Schlaf."

"Ich komme zu mir": Zwischen "Ausgeben an andere" und "Einnehmen für sich" ist ein Ausgleich hergestellt. Durch sein Geben kommt der Freudespender zu sich selbst, gewinnt sein Leben. Sozusagen über Nacht. Es bedarf keiner besonderen Anstrengung. Der Freudespender hat keine Angst, selbst arm zu werden, sich gänzlich zu "verausgaben". Am nächsten Morgen entdeckt er, dass sein Koffer wieder gefüllt ist. Er ist gelassen und sieht neue Möglichkeiten, anderen zu helfen und Freude zu spenden. Noch einmal ein Pauluswort: "Gott liebt einen fröhlichen Geber. In seiner Macht kann Gott alle Gaben über euch ausschütten, sodass euch allezeit in allem alles Nötige ausreichend zur Verfügung steht und ihr noch genug habt, um allen Gutes zu tun" (2 Kor 9,7-8).

Pater Damian Meyer

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 8 des 52. Jahrgangs (im Jahr 2002).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Freitag, 22.02.2002

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