Zur Versöhnung herausgefordert
Weltgebetstag der Frauen stand im Zeichen Rumäniens - Gäste aus dem Balkanland im Eichsfeld

Vorbereitung des Weltgebetstages: Frauen aus Rumänien berichten
Heiligenstadt (as) -Wirtschaftliche Stagnation, Inflation, Armut und eine hohe Arbeitslosigkeit. Das sind nur einige Probleme, mit denen Rumänien zu kämpfen hat. Unter dem Motto "Zur Versöhnung herausgefordert" stand der Ökumenische Weltgebetstag der Frauen am 1. März diesmal ganz im Zeichen des Balkanlandes. Während der Vorbereitung besuchte eine Gruppe von sieben Frauen aus dem Banat (Westrumänien) das Bistum Erfurt, vor allem Gemeinden im Eichsfeld. Organisiert wurde das Ganze von der Frauenseelsorge des Bistums, der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd) und dem Kolpingwerk, das seit Jahren über gute Beziehungen zu Rumänien verfügt. Die Frauen berichteten auf insgesamt 19 Veranstaltungen über die Situation der Menschen und über das kirchliche Leben in ihrem Land.
Wirtschaftliche Situation nach wie vor angespannt
"Die wirtschaftliche Lage der Menschen in Rumänien ist nach wie vor angespannt", berichtet Gerda Chisorau aus Temeswar einer kfd-Gruppe in Silberhausen bei Dingelstädt. In Temeswar begann 1989 die rumänische Revolution. Frau Chisorau ist Deutsche und mit einem Priester der griechisch-katholischen Kirche verheiratet. Sie selbst arbeitet als Bildungsreferentin für das Kolpingwerk im Banat. "Vor allem der Landbevölkerung geht es schlecht." Oft gebe es keine asphaltierten Straßen, was vor allem die Versorgung und die Arbeit im Winter erschwere. Es fehle an Elektrizität. Kinder müssten bei der Arbeit auf dem Feld mithelfen und könnten nicht in die Schule gehen. Viele Menschen könnten nur von dem leben, was sie selbst anbauen oder für wenig Geld auf dem Markt verkaufen können. Beängstigend sei die hohe Arbeitslosigkeit. Das wiederum führe zu vielen Problemen in den Familien. Auf den Straßen der Großstädte sammeln sich Kinder- und Jugendbanden, die in der Kanalisation lebten, so Frau Chisorau. Besonders hart trifft es die alten Menschen und die Frauen. Frauen sind in der rumänischen Gesellschaft doppelt und dreifach belastet: Durch die Erziehung der Kinder und Hausarbeit, durch Berufstätigkeit alter und die Pflege kranker Familienangehöriger. Der überwiegende Teil der rumänischen Arbeitslosen sind Frauen. Sie sind zudem mit hohen gesundheitlichen Risiken konfrontiert. Ihre Sterblichkeitsrate bei der Entbindung ist fünfmal höher als im europäischen Durchschnitt. Die häufigste Todesursachen bei Frauen sind Herz-Gefäß-Erkrankungen und Krebs. "Das materielle Niveau der Rumänen ist insgesamt gefallen", weiß Gerda Chisorau. Viele entwickelten eine Kommunismus- Nostalgie, weil sich auch nach den vielen Jahren, die seit der Revolution vergangen sind, keine Besserung abzeichne. Als einen großen Verlust empfänden die Rumänen den Wegzug der Deutschen aus dem Banat und Siebenbürgen. "Die Deutschen haben auf die Rumänen einen großen Einfluss ausgeübt." Für Gerda Chisorau ist es besonders wichtig, Kontakte nach Deutschland zu pflegen. Nur die persönliche Begegnung, so sagt sie, könne zum gegenseitigen Verständnis der Völker beitragen.
Das Kolpingwerk bietet Möglichkeiten der Hilfe
Mit der Beziehung zum rumänischen Volk werde den Deutschen auch eine konkrete Möglichkeit geboten, Hilfe zu leisten, betont Anette Müller vom Kolpingwerk im Bistum Erfurt. Die Heiligenstädterin organisiert seit zehn Jahren die Kolping-Hilfe für Rumänien. An der jährlichen Paketaktion zu Weihnachten würden sich nicht nur die katholischen Gemeinden, sondern auch Nichtchristen beteiligen. So konnten im letzten Jahr 3000 Pakete nach Rumänien geschickt werden. Kolping unterstützt besonders ein Kinderheim in Ineu, aber auch bedürftige Familien im Banat. "Dennoch sollen die Rumänen sich in Deutschland nicht als Bittsteller fühlen", sagt Frau Müller. "Wir können viel von ihnen lernen." Beeindruckt sei sie immer wieder vom tiefen Glauben des rumänischen Volkes, den es trotz seiner bedrückenden Situation nicht verloren hat. "Wir sind keine Patenschaft, sondern eine Partnerschaft", so Frau Müller.
Der Ökumenische Weltgebetstag wurde nach dem Zweiten Weltkrieg ins Leben gerufen. Jeweils am ersten Freitag im März feiern Frauen in rund 170 Ländern den Gottesdienst. Die Liturgie verfassen jeweils Vertreterinnen eines Landes für die Frauen in aller Welt. Intensive Vorbereitungen zum Land selbst sowie Bibelarbeiten in den Gemeinden und Frauengruppen sollen helfen, das gegenseitige Verständnis über nationale und konfessionelle Grenzen hinweg zu verbessern.
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Freitag, 01.03.2002