Der Westen muss umdenken
Partnerschaftsaktion Ost begeht Zehnjähriges / Osteuropawochen begonnen
Magdeburg (mh) -Russische Ikonen und ein vollgestempelter Reisepass, eine Matroschka und alte Geldscheine, Bilder vom Alltagsleben in Russland und Informationen über Hilfsprojekte in ehemaligen Ostblockländern -wer in diesen Tagen das Propsteipfarramt in der Magdeburger Max-Josef-Metzger-Straße betritt, steht sofort mitten in einer Ausstellung. "Versuche zuhelfen -Versuche, zu verstehen -Versuche, zu verändern" ist ihr Titel. Sie gehört zum Programm, mit dem die Partnerschaftsaktion Ost im Bistum Magdeburg ihr zehnjähriges Bestehen feiert.
Mit der Ausstellung informiert nicht nur die Partnerschaftsaktion über ihre Arbeit. Auch zahlreiche weitere Osteuropa- und Eine-Welt-Gruppen sind vertreten. Wer das Gezeigte intensiv studieren will, sollte Zeit mitbringen, rät Heiner Hesse, Geschäftsführer der Partnerschaftsaktion. Er selbst bietet -auf Anmeldung -auch Führungen an, denn: "Zu fast jedem Ausstellungsstück gibt es noch eine Geschichte zu erzählen." Und um die Bedeutung der Ausstellung zu unterstreichen fügt er scherzhaft hinzu: "Im vergangenen Jahr war die Otto-Ausstellung. In diesem Jahr sind wir!"
Mit der Eröffnung der Ausstelkung und einem so genanntes "Familienfest" für alle, die in Verbindung mit der Partnerschaftsaktion stehen, begannen die "Osteuropawochen -Wochen der Gerechtigkeit", mit denen das Zehnjährige gefeiert wird. Zahlreiche Vorträge und künstlerische Veranstaltungen stehen noch bis zum 20. März auf dem Programm.
Rückschau halten, Erinnerungen und Erfahrungen austauschen, darum ging es beim "Familienfest" am 21. Februar, zu dem rund 120 katholische und evangelische Christen aus Magdeburg und Umgebung gekommen waren. Natürlich ging es aber auch um den Blick nach vorn: Wie kann es weitergehen? Ist unsere Hilfe sinnvoll? Im Mittelpunkt des Abend stand Tutajew. Die Stadt an der Wolga -rund 250 Kilometer nördlich von Moskau -ist von Anfang an eines der Zentren der Aktivitäten der Partnerschaftsaktion Ost in Russland.
"Freude bereiten -Verstehen lernen -Zukunft gestalten -unter diesem Motto haben wir 1992 unsere Arbeit begonnen", blickte Hesse zurück. Jetzt steht als Thema über den Osteuropawochen: "Heiliger Zorn und Engelsgeduld". Das ist ein Teil der Erfahrungen der vergangenen zehn Jahre: "Heiliger Zorn muss jeden erfassen, wenn er die Ungerechtigkeiten dieser Welt sieht." Und: "Engelsgeduld brauchen wir nicht nur an den Grenzen sondern vor allem für den beschwerlichen Weg, bei unseren Partnern, aber auch in unserem eigenen Land etwas zu ändern!" Die Situation in Russland wie in vielen anderen Ländern der Welt könne nur entscheidend geändert werden, wenn Politik und Wirtschaft sich beteiligten. Notwendig sei ein Umdenken der gesamten westlichen Gesellschaft.
In einem Lichtbildervortrag informierten Heiner Hesse und Edith Giebson über die aktuelle Lage in Tutajew. Die Bilanz, die sie dabei zogen, enthielt viele negative Momente: Die Schere zwischen Arm und Reich in Russland wird immer größer, Alkoholismus und Kriminalität gehören zum Alltag, Bildungs- und Gesundheitswesen liegen am Boden. Die Schulpflicht sei abgeschafft und die Zahl der chronisch kranken Kinder liege nach vorsichtigen Schätzungen bei mindestens 80 Prozent. Doch auch positive Erfahrungen gibt es: Dank der verlässlichen Partner vor Ort seien stabile Strukturen der Hilfe entstanden. Die Menschen in Russland hätten im sozialen Bereich zunehmend Eigeninitiative entwickelt. Und: "Auch wir haben uns verändert und wir sind beschenkt worden durch Offenheit und Herzlichkeit", sagt Hesse.
Informationen zum Programm und Anmeldung für Führungen durch die Ausstellung: Partnerschaftsaktion Ost
Tel. (03 91) 5 96 11 82, E-Mail: partnerschaftsaktionost@bistummagdeburg. de Öffnungszeiten der Ausstellung Montag bis Freitag 11 bis 18.30 Uhr Samstag 11 bis 16 Uhr.
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Freitag, 01.03.2002