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Aus der Region

Entwicklungshilfe muss zu Hause anfangen

Pater Böckermann: Kapitalistische Wirtschaftsstrukturen verändern

Weil wenige reich sind,sind viele arm.

Magdeburg (ep) -Nur eines kann wirklich helfen, Ungerechtigkeit und Armut in Deutschland und in der Welt einzudämmen: ein radikales Umdenken in den reichen Ländern. "Wir brauchen eine Entwicklung weg vom kapitalistischen Wirtschaftssystem, in dem es darum geht, auf Kosten anderer immer mehr zu produzieren und zu konsumieren, hin zu einer Ordung mit mehr Gerechtigkeit für alle." Das etwa ist das Credo von Pater Gregor Böckermann aus Frankfurt (Main). Böckermann, der zur Ordensgemeinschaft der Weißen Väter gehört, war auf Einladung der Katholischen Erwachsenenbildung in Sachsen-Anhalt und der Partnerschaftsaktion Ost, die ihr zehnjähriges Bestehen feiert, nach Magdeburg gekommen.

Wer Windkraftanlagen besitzt, kann richtig Geld verdienen, erzählt Böckermann ein Beispiel. Die Investitionsmittel stellen Banken zur Verfügung. Und die Kredite, an denen die Banken verdienen, sind relativ leicht zurückzuzahlen, weil der Öko-Strom von den Energieversorgern abgenommen werden muss und staatlich subventioniert ist. Sind die Kredite abgezahlt, kann auch der Eigentümer der Anlagen auf Kosten der Endverbraucher und der Steuerzahler richtig Geld verdienen, ohne zu arbeiten. Auf internationaler Ebene gibt es ähnliche Beispiele.

"Wenn ich mit meinem Plakat mit der Aufschrift ,Dieses System geht über Leichen' durch die Frankfurter Fußgängerzone gehe, wird mir an den Reaktionen deutlich: Immer mehr Menschen erkennen, dass sich nicht alles um Konsum drehen kann. Sie suchen stattdessen eine Verbesserung ihrer zwischenmenschlichen Beziehungen, kleine überschaubare Einheiten, mehr wirkliche Demokratie. Die Überzeugung wächst: Das kapitalistische System, in dem auch in Deutschland zehn Prozent der Bevölkerung auf Kosten von vielen Armen in der Welt, aber auch von 80 Prozent der deutschen Mitbürger immer reicher werden, muss abgelöst werden."

Böckermann war viele Jahre in Algerien tätig. Hier erkannte er: Wer für die Armen wirklich etwas tun will, muss in seiner Heimat für einen Bewusstseinswandel sorgen. Alle Spenden bekämpfen nicht wirklich die Ursachen des Elends. 1986 nach Deutschland zurückgekehrt, schloss er sich in Zeiten der Abrüstungsdebatte den Initiative Ordensleute für den Frieden (IOF) an. Frieden hat jedoch nicht nur mit Abrüstung zu tun, sondern mit Gerechtigkeit für alle, sagt er. Und: "Ich bin überzeugt, dass die Option für die Armen als notwendige Kehrseite den Aufstand gegen die Herren hat."

"Zivilcourage gegen die Macht des Geldes" sei nötig. Und die praktiziert Böckermann, wenn er etwa seit zwölf Jahren einmal im Monat vor der Deutschen Bank in Frankfurt gegen die Geldpolitik demonstriert. Es sei dringend notwendig, sich in Politik und Wirtschaftsfragen einzumischen, damit Strukturen verändert werden, sagt er. In Zukunft solle niemand mehr zu sagen brauchen "Ich bin nur Hausfrau". Christus habe verkündet, dass Gott alle liebt, unabhängig davon, was sie leisten, produzieren oder konsumieren. Er habe Partei ergriffen für die Armen und Unterdrückten.

"Meine Antwort ist Sozialismus, jedoch nicht ein solcher wie in der DDR. Alle Menschen müssen eigentlich gleich bezahlt werden", sagt Böckermann auf die Frage nach einer Alternative. Eine Antwort, mit der sich viele der Teilnehmer des Abends schwer anfreunden können, so sehr sie die Gesellschaftsanalyse Böckermanns nachzuvollziehen bereit sind.

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 11 des 52. Jahrgangs (im Jahr 2002).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Freitag, 15.03.2002

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