Champions League oder Kreisklasse ?
Die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden befinden sich nach Generaldirektor Martin Roth in einer Kris
Dresden (jak) -Irgendwie sind die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden mit einem Eisberg zu vergleichen: Noch immer bekommen die Besucher nur einen Teil von all dem zu sehen, was eigentlich vorhanden ist. Doch das ist nicht das einzige Problem. Nach den Worten des neuen Generaldirektors der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, Martin Roth, gibt es in seinen Häusern kaum einen Bereich, der so arbeitet, wie es modernen Anforderungen entspricht. Beispielsweise im Bereich der Museumsläden. Roth wörtlich: "Wir lassen die Leute allein, bieten ihnen kaum etwas an und wer eine Karte vom Albertinum kaufen möchte, der muss über die Straße zum Bäcker gehen." Damit vergebe man sich die Chance, eigenständig Mittel zu erwirtschaften, die dringend gebraucht werden. Ein weiterer Punkt ist die Werbung, die überhaupt kaum stattfinde. Wer heute Dresden besucht, der komme meist, weil er sehr konkret um die Kunstsammlungen sowie ihre Bedeutung weiß. Die Zahl der Besucher ließe sich aber durch Werbung stark steigern. Derzeit liege die Zahl bei 1,7 Millionen Besuchern im Jahr. Dies sei zwar viel, aber vergleichbare internationale Einrichtungen würden auf das Dreifache kommen.
Generaldirektor Martin Roth ging am 8. März nach 150 Tagen im Amt an die Öffentlichkeit, um im Rahmen einer Pressekonferenz Probleme und Chancen seines Hauses zu erläutern. In der jetzt zurückliegenden Woche wurde dem Staatsministerium für Wissenschaft und Kultur zudem eine Denkschrift übergeben, welche die Probleme benennt und Wege in die Zukunft weisen soll. Ohne eine tiefgreifende Umstrukturierung werde es nicht gehen, betonte Roth.
Bürokratie behindert die Wirtschaftlichkeit
Doch favorisierte er in der aktuellen Krisensituation eine unmittelbare Staatsnähe, die ein Engagement des Freistaates für seinen Staatsschatz garantiere. Als höchste Hürde für eine zukunftsfähige Entwicklung benannte Martin Roth die bürokratischen Einschränkungen, die unter anderem sinnvolles betriebswirtschaftliches Handeln in weiten Bereichen unmöglich mache. Ein Weg aus dieser Situation sei die Umwandlung eindeutig wirtschaftlicher Bereiche in Betriebsabteilungen -so das Personal, die Restaurants oder die Museumsläden. Möglichst rasch geplant sei die Gründung einer Betriebs-GmbH. Diese solle die wirtschaftlichen Aktivitäten der Staatlichen Kunstsammlungen zusammenfassen und die Wettbewerbsfähigkeit und die Einnahmesituation verbessern. Die Vorteile einer GmbH seien vor allem ein auf Wirtschaftlichkeit ausgerichtetes Rechnungs- und Bilanzierungswesen unter Vermeidung der Zwänge der ständigen Offenlegung, beispielsweise gegenüber dem Freistaat Sachsen. Eine Chance der GmbH seien zudem kurze Informationsund Entscheidungswege. Als klassische Aufgaben einer Betriebs- GmbH benannte Martin Roth unter anderem die notwendige Entwicklung und Umsetzung eines Marketingkonzeptes, die Vermietung und Verpachtung sowie die Organisation der museumspädagogischen Dienste. Kritisch merkte er an dieser Stelle auch an, dass sein Haus keinerlei Nutzen davon habe, wenn Motive -so die Engel von der Sixtinischen Madonna -als Werbeträger genutzt werden. "Wir stecken jede Menge Geld in die Erhaltung der Engel, bekommen dafür aber nichts zurück", sagte Roth weiter. So soll sich die Betriebs- GmbH auch um die Rechtevertretung und um die Lizenzen kümmern.
Kritik übte Martin Roth auch an der inneren Struktur seines Hauses. Erste Maßnahmen zu einer grundlegenden Neuorganisation wurden inzwischen eingeleitet. Zielsetzung sei es, durch kurze Entscheidungswege, klare Verantwortlichkeiten und eine effektive Organisation die tägliche Arbeit zu verbessern. Angestrebt sei weiter eine stärkere Vernetzung der einzelnen Museen, beispielsweise bei der Gestaltung von Sonderausstellungen. Dies alles sind nur einige der von Martin Roth angesprochenen Probleme. Worauf es jetzt ankomme, ist die Sicherung der Zukunftsfähigkeit der Staatlichen Kunstsammlungen als international anerkannte Einrichtung.
Vision vom Dresdner Kulturquartier
Und dazu gehöre mehr, als nur die Ausstellungen täglich zu öffnen und zu schließen. Es ist insbesondere der Bereich der wissenschaftlichen Arbeit, der darüber entscheidet, welche Bedeutung die Dresdner Museen haben werden. Um den Kontrast aufzuzeigen nutzte Roth mit Blick auf diesen Bereich einen Vergleich aus der Fußballwelt: "Wir spielen eigentlich in der Champions League, aber die Bedingungen sind wie in der Kreisklasse."
Zur Finanzlage sagte er, dass derzeit zirka sechs Millionen Euro fehlten, die dringend gebraucht werden. Darunter beispielsweise Geld für die Öffentlichkeitsarbeit, für dringliche Restaurierungen und für Sonderausstellungen. Weiter werde Geld für den Ankauf gebraucht, die im Moment zur Verfügung stehenden Mittel würden ein "Mitspielen" im internationalen Kunsthandel nahezu unmöglich machen.
Bei allen Sorgen blieb bei der Pressekonferenz auch Raum für Visionen. So stellte Generaldirektor Roth seine Vision vom Dresdner Kulturquartier vor. Alles sei in Dresden vorhanden. Bauten für die Museen wie das Schloss, das Albertinum, der Zwinger ...Kirchen wie die Frauen- und die Hofkirche, aber auch die neue Synagoge. Weiter die weltberühmte Semperoper und Hotels. Martin Roth wörtlich: "Die kulturelle Vielfalt des historischen Dresden, ist ein einzigartiges Geschenk. Ein Geschenk, das zumindest nicht als solches, sondern als gegeben wahrgenommen wird." Jetzt sei es an der Zeit zu entscheiden, wohin es in Dresden gehen soll. Und irgendwie ist dies eine Wahl zwischen Weltklasse oder Provinzialismus. Eine Frage, die sich auch für die Nutzung des Dresdner Schlosses stelle. Roth meinte, es müsse entschieden werden, ob es nur ein Schlossmuseum sein solle oder ob Museen von weltweiter Bedeutung im Schloss ihre Heimat finden. Roth sprach in diesem Zusammenhang vom Dresdner Museumsschloss. Momentan liege bereits eine fundierte Planung für die Ausstellungs- und Direktionsbereiche Grünes Gewölbe, Kupferstich-Kabinett, Münzkabinett sowie für die Verwaltung, die Restaurierungswerkstätten und die Bibliothek vor. An diese Planung anküpfend werde zurzeit ein inhaltliches Gesamtkonzept für das Schlossareal erarbeitet. Probleme gebe es derzeit bei der Ausstellungsarchitektur. Noch in diesem Jahr soll das Münzkabinett im Georgenbau der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. 2003 soll das Kupferstich-Kabinett sowie das Grüne Gewölbe folgen. Letzteres erhält eine moderne Präsentation im ersten Obergeschoss des Schlosses.
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Freitag, 15.03.2002