Nicht an der Bildung sparen
Die freien Schulträger in Berlin wehren sich gegen die Sparpläne des rot-roten Senats
Berlin/Leipzig -In einem geradezu dramatischen Appell haben die 121 freien Schulträger der Bundeshauptstadt am vergangenen Samstag den von SPD und PDS regierten Senat aufgefordert, die geplanten Kürzungen im Bildungsbereich zurückzunehmen. Rund 10 000 Menschen demonstrierten am Witttenbergplatz, darunter der Berliner Weihbischof Wolfgang Weider und viele Schüler, Eltern und Lehrer der 29 katholischen Schulen, die von den Sparmaßnahmen besonders betroffen wären. Nach Angaben der freien Schulen Berlins will die rot-rote Koalition die Zuschüsse von 97 Prozent auf 90 Prozent der vergleichbaren Personalkosten zurückfahren und die bisher gewährten Reinigungskosten streichen. Sie verschweigt aber, dass die Zuschüsse schon bisher entsprechend den Kürzungen im staatlichen Schulbereich verringert wurden. Mieten, Gebäudeunterhaltung, Schulverwaltung finden ebenfalls keine Berücksichtigung. So gibt das Land Berlin für jeden Schüler einer freien Schule nur etwa 63 Prozent der Kosten aus, die für einen Schüler an einer staatlichen Schule nötig sind.
Wie das Ganze ausgeht, lasse sich jetzt nocht nicht sagen, beschreibt der Schuldezernent des Erzbistums Berlin, Hans-Peter Richter, die derzeitige Lage. "Der Senat ist in Sparklausur. Danach müssen wir weitersehen". Die Berliner Situation scheint ausweglos: Nicht nur durch das Missmanagement der Landesbank ist die Stadt mit rund 40 Millionen Euro hoffnungslos überschuldet. Die Wiedervereinigung hat zudem eine paradoxe Konstellation geschaffen. In vielen Bereichen gibt es eine Überversorgung, die in Deutschland keine Kommune verantworten könnte. Zu viele Krankenhäuser, zu viele Schulen bei ständig sinkenden Schülerzahlen, zu viele kulturelle Einrichtungen, zu viel Personal in der öffentlichen Verwaltung. Wie kaum eine andere europäische Metropole leistet sich Berlin drei Universitäten. Jeder müsste, keiner will sparen, angefangen von der Pferdestaffel der Polizei bis zum Hinterhoftheater. Beide Koalitionpsarteien hatten vor der Wahl vollmundig versprochen, weder an der Kultur noch an der Bildung zu sparen.
Hans-Peter Richter hält die Pläne des Senats für tödlich: "Wenn man Weltklasse werden will, darf man nicht an der Bildung sparen". Bildung bedeute eine wichtige Ressource für die Zukunft, das gelte für Schulen wie für Hochschulen. Die katholischen Schulen könnten sich aber auf eine "starke und kampfbereite Elternschaft" verlassen. Das bestätigt auch die Leiterin der traditionsreichen Theresienschule in Berlin-Weißensee, Annaliese Kirchberg. Mit einer Aktionswoche und einer eigenen Demonstration machten Schüler und Lehrer auf die Situation der freien Schulen aufmerksam. Frau Kirchberg: "Wenn man genau rechnet, bedeuten die freien Schulen eher eine Entlastung für den Staat."
Mit dem Widerstand der Katholiken hätte man rechnen müssen. Schon einmal, als man bei den Sparplänen im Gesundheitswesen auch die Schließung von konfessionellen Krankenhäusern öffentlich diskutierte, zogen sie mit ihrem Bischof Kardinal Georg Sterzinsky vor das Rote Rothaus. Damals hatte dieser eine prophetische Befürchtung geäußert, die jetzt zur bitteren Realität werden könnte: "Erst sind es unsere Krankenhäuser, dann unsere Schulen." Trotz des Widerstandes scheint eins klar: Sollte sich der Senat mit seinen Sparplänen durchsetzen, könnte dies eine verheerende Vorbildwirkung für ähnliche politische Konstellationen wie in Sachsen- Anhalt oder Mecklenburg-Vorpommern, aber auch Brandenburg haben. Den nach der Wende gegründeten freien Schulen im Osten stünden dann harte Zeiten bevor.
Andreas Schuppert
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Donnerstag, 21.03.2002