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Auf zwei Minuten

"Wie kann Gott das zulassen?"

Hoffen auf Gott, auch oder gerade in einer leidvollen Welt.

Pater Damian

"An einen Gott der dieses unermessliche Elend in der Welt, die himmelschreienden Ungerechtigkeiten und die furchtbaren Gewalttaten geschehen lässt, sozusagen einfach zuschaut, nein, an den kann ich nicht glauben. Wenn es Gott gäbe, müsste er doch eingreifen!" Diese oder ähnlich formulierte Äußerungen höre ich immer wieder. Mehr und mehr in letzter Zeit. Für einige ist das allgemeine Elend in der Welt die unüberwindliche Mauer gegen den Glauben an Gott, für andere auch das persönliche schwere Schicksal, das sie getroffen hat.

Es ist in der Tat nicht leicht, in unserer Zeit an einen guten Gott zu glauben, der das Beste für die Menschen will. Aber Glaube als volles Vertrauen in Gott, den man nicht sehen und nicht direkt erfahren kann, bleibt immer ein Akt der persönlichen Entscheidung und ein Geschenk. Eine theoretische Antwort auf die Frage "Wie kann Gott das unermessliche Leid zulassen?" scheint es nicht zu geben. Alle Versuche der Theologie, eine "Erklärung" dafür zu liefern, sind letztlich gescheitert. Schon im Alten Testament weiß das Buch Ijob keine Antwort auf das Leid. In unserer Zeit ist das Problem noch unerhört verschärft worden durch den millionenfachen Völkermord. Hans Küng bringt es auf den Punkt: "Wenn Gott existiert, so war er auch in Auschwitz! Gläubige verschiedener Religionen und Konfessionen haben selbst in dieser Todesfabrik festgehalten: Trotz allem, Gott lebt. Zugleich aber hat auch der Gläubige zuzugestehen: Unbeantwortbar ist die Frage: Wie konnte Gott in Auschwitz sein, ohne Auschwitz zu verhindern?"

Leid, übergroßes, unschuldiges, sinnloses Leid lässt sich theoretisch nicht verstehen, sondern nur praktisch bestehen. In fast verzweifelter Hoffnung lässt sich im Hinblick auf den leidenden Christus im Gebet sagen: Gott bleibt auch dann verborgen anwesend, wenn das Leiden scheinbar sinnlos ist. Gott bewahrt uns nicht vor allem Leid, aber er steht in allem Leid zu uns. Und wir sind aufgerufen, die Leiden der anderen mitzutragen und gegen das Leid anzukämpfen.

Der Gottlose mag sagen: Weil es Auschwitz gibt, ist mir der Gedanke an Gott unerträglich. Und der Gottgläubige antwortet: Nur weil es Gott gibt, ist mir der Gedanke an Auschwitz überhaupt erträglich. Der orthodoxe Theologe Michael Wyschogrod: "Der jüdische Glaube ist deshalb von Anbeginn an Glaube, dass Gott tun kann, was menschlich unbegreiflich ist. In unserer Zeit schließt das den Glauben ein, dass trotz Auschwitz Gott seine Verheißung erfüllen wird, Israel und die Welt zu erlösen. Kann ich verstehen, wie das möglich ist? Nein. Und erst recht kann ich nicht verstehen, wie Gott es jemals wieder an denen gutmachen kann, die im Holocaust umkamen. Aber mit Abraham glaube ich, dass er es tun wird. Ist dieser Glaube anstößig? Macht er es sich nicht mit dem Leid der Ermordeten zu leicht? In gewisser Hinsicht ja, ganz bestimmt aber aus menschlicher Sicht. Aber Gott kann und wird es tun. Er ist nicht an das gebunden, was menschenmöglich ist. Er hat versprochen, uns zu erlösen, und er wird es tun."

Pater Damian Meyer

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 12 des 52. Jahrgangs (im Jahr 2002).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Donnerstag, 21.03.2002

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