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Bistum Magdeburg

Ziel: Ein Leben ohne Straftaten führen

Haldensleben: Caritas führt Trainingskurse für straffällig gewordene Jugendliche durch

Fitnesstrainer Gehrke (rechts im Bild) mit einem der Kursteilnehmer.

Haldensleben -"Straftaten zu machen, das kickt ganz hammerhart", erzählt Thomas*, "das ist wie 'ne Droge -das muss immer mehr werden". Vor einem Jahr noch verging fast kein Monat, in dem der 21-Jährige nicht wegen kleinerer und größerer Delikte vor Gericht stand. Seit einem dreiviertel Jahr aber hat er genug davon, er hat seinen alten Freundeskreis aufgegeben und versucht, ans normale Leben Anschluss zu bekommen.

Thomas nimmt seit August an einem Sozialen Trainingskurs für straffällig gewordene Jugendliche im Ohrekreis teil. Ein solcher Kurs ist eine ambulante, sozialpädagogisch ausgerichtete Maßnahme, die für straffällig gewordene Jugendliche entweder durch eine jugendrichterliche Entscheidung oder im Rahmen der Verfahrenseinstellung angeordnet wird. Träger des Kurses, an dem Thomas teilnimmt, ist der Caritasverband für das Dekanat Magdeburg. Organisiert wird das Ganze vom Arbeitsund Wohnprojekt St. Franziskus auf Gut Glüsig.

Diplom-Sozialpädagogin Jeannette Magdeburg betreut zurzeit zwei Kurse mit insgesamt zwölf Jugendlichen aus Haldensleben und Wolmirstedt. Die meisten der Jugendlichen sind wie Thomas Mehrfachtäter und wegen Diebstählen, Autoklau und mehrfachen Körperverletzungen angeklagt. Im Trainingskurs sollen sie befähigt werden, ihr Leben eigenverantwortlich zu gestalten und letztendlich straffrei zu leben. Ein solcher Kurs umfasst neben regelmäßiger Gruppenarbeit auch Einzelgespräche zur Schul- und Berufsausbildung, Straftataufarbeitung, Hausbesuche sowie Intensivwochenenden und wird in Zusammenarbeit mit anderen Einrichtungen der Jugendhilfe durchgeführt.

Jeannette Magdeburg fiel schnell auf, dass Gesprächsrunden und Gruppenabende allein nicht wirklich weiterhelfen: "Die Jugendlichen müssen zusammen etwas erleben, erst dann finden sie zusammen." Am wichtigsten sei es ihr, den Jugendlichen eine Motivation fürs Leben zu geben und sie zu befähigen, ihre Freizeit eigenständig und sinnvoll gestalten zu können, so die 28- Jährige.

Sinnvolle Freizeitgestaltung hilft

In Zusammenarbeit mit einem nebenberuflichen Fitnesstrainer hat sie deshalb für den Trainingskurs aus Haldensleben ein Fitnessprojekt ins Leben gerufen. Jeden Montag trifft sich Jeannette Magdeburg nun mit sieben Jugendlichen in den Proberäumen des Jugendzentrums "Kids & Co." in Haldensleben beziehungsweise im Leistungszentrum des Vfl Wolfsburg. Unter Anleitung des Trainers Carsten Gereke findet zunächst ein Erwärmungsprogramm statt, dann folgen Kraftübungen an verschiedenen Geräten und außerdem können sich die Jugendlichen im Armwrestling versuchen. Gereke übt diesen Sport seit zwei Jahren aus, hat bereits an Deutschen Meisterschaften und der Europameisterschaft teilgenommen und kann die Jungs für diesen Sport begeistern. "Ich will denen zeigen, dass man durch Sport mit dem eigenem Körperbewusstsein besser umgehen kann. Aggressionen werden durchs Training abgebaut und nicht durch Schlägereien", so Gereke. Die Jugendlichen sollen durch das Projekt auch lernen, besonnen in Konfliktsituationen zu reagieren und sich für eine Sache so zu begeistern, dass sie daran auch längerfristig arbeiten möchten.

Das Konzept aus aktiver Gruppenarbeit und intensiver Einzelbetreuung scheint beim Caritas- Projekt aufzugehen: Bis jetzt ist noch keiner der Jugendlichen, die seit August einen Sozialen Trainingskurs absolviert haben, rückfällig geworden. Trotzdem ist sich Jeannette Magdeburg bewusst, dass gravierende Entwicklungsdefizite und problematische Erfahrungen im Elternhauses kaum wettzumachen sind und eine Garantie gegen Rückfälligkeit nicht gegebenwerden kann. Es seien eher die kleinen Schritte, die zählen, sagt sie. Dafür schaut sie genau, welche Stärken welcher Jugendliche hat und wie man sie motivieren kann.

"Ich will aufhören, Mist zu bauen"

"Ich habe das Gefühl, dass ich hier ernst genommen werde", erzählt der 17-jährige Enrico*, "seitdem ich hier drinnen bin, habe ich kapiert, dass ich aufhören will, Scheiße zu bauen und ich bin auf jeden Fall ruhiger geworden." Angeklagt ist er unter anderem auch wegen Körperverletzung. "Ich finde es schön, die Jugendlichen richtig kennen zu lernen und sie in eine andere Richtung zu bringen", so Jeannette Magdeburg. Wichtig sei ihr, dass sie eine enge Bezugsperson sein kann, die nicht pauschal verurteilt, sondern zu der man Vertrauen haben kann. So blieben dann auch Erfolgserlebnisse nicht aus. Zum Beispiel, wenn sich ein Jugendlicher endlich seine Haare wachsen lässt und nicht mehr kahlgeschoren herumläuft ("Ich habe ihm gesagt, dass er so viel besser aussieht.") oder wenn der 17-jährige Ronny* erzählt, dass er sich am Wochenende fast geprügelt hätte, aber dann nach tiefem Luftholen doch nicht zugeschlagen hat und einfach weggegangen sei.

Thomas ist inzwischen so gut im Armwrestling, dass er bei einem regionalen Wettbewerb vor kurzem den dritten Platz belegt hat. Gelernt hat er in den letzten Monaten noch mehr: "Ich bin hier beim Training mit Freunden zusammen, aber wir bauen zusammen keinen Mist. Dazu haben wir keine Lust mehr, das brauchen wir nicht mehr."

Julia Kuttner

* Namen von der Redaktion geändert.

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 14 des 52. Jahrgangs (im Jahr 2002).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Mittwoch, 03.04.2002

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