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Einfach reden oder reden lassen!

Die Ehrenamtlichen vom Besuchsdienst der Malteser bereiten einsamen Menschen eine Freude

Begeisterte Malteser: Katharina Quiker (links) und Erika Dreßler verschenken gern ein wenig Zeit und halten hinterher auf einem Formular fest, wie der Besuch verlaufen ist.

Görlitz (kh) -Die eine ist über 60 und längst in Rente, die andere geht noch zur Schule und paukt gerade für die Abschlussprüfung. Eines aber verbindet Erika Dreßler und Katharina Quicker: Die beiden Görlitzerinnen machen mit beim Besuchsdienst der Malteser und verschenken regelmäßig einen Teil ihrer Freizeit an allein stehende alte Menschen.

"Erzählen, sich unterhalten, zuhören: Das ist auch ein Dienst?", wird Koordinatorin Maria Laube manchmal von Interessenten gefragt, die sich ehrenamtlich engagieren möchten. Und ob das ein Dienst ist, und zwar einer, der der Seele gut tut, sind sich Maria Laube und die beiden Helferinnen einig. Durch die Besuche würden die Kranken nicht medizinisch gesünder, aber sie fühlten sich wohler.

Zwei alternative Nachmittagsprogramme

Katharina Quicker und Erika Dreßler haben unterschiedliche Strategien, das Wohlbefinden der von ihnen Betreuten zu steigern: Die Schülerin überlegt sich immer zwei alternative Nachmittagsprogramme, bevor sie einmal im Monat mit dem Rad zu einer 90-jährigen Frau fährt: Wenn die Besuchte "gut drauf" ist, liest Katharina ihr zum Beispiel eine Geschichte vor oder geht mit ihr spazieren. Trifft die Schülerin die alte Dame dagegen an einem schlechten Tag an, unterhalten sich die beiden nur oder spielen "Mensch ärgere dich nicht", denn dafür ist die Gastgeberin immer zu haben: "Das macht sie wirklich gerne. Da ist es dann egal, ob es ihr gut geht oder schlecht."

Besonders gut ist es ihr aber wohl an einem Samstag im vergangenen Juni gegangen, zumindest nach Katharinas Besuch. Denn da hatte ihr die Jugendliche einen selbst gebackenen Kuchen mitgebracht -mit 90 Kerzen oben drauf, die das betagte Geburtstagskind alle ausblasen durfte.

Mit ihren Besuchen eine Freude zu machen, ist auch das Ziel von Erika Dreßler. Sie richtet sich deshalb ganz nach den Wünschen der 73-Jährigen, die sie seit über einem Jahr betreut. Je nach Wetter und Stimmungslage bleiben die beiden Frauen zu Hause und trinken zusammen Kaffee oder sie unternehmen außerhalb der Wohnung etwas, gehen zum Beispiel miteinander einkaufen.

Maria Laube legt jedoch Wert darauf, dass die Helfer vom Besuchsdienst nicht für die Betreuten einkaufen, denn das ist nicht die Aufgabe dieser Ehrenamtlichen. Dafür gibt es bei den Maltesern einen eigenen, bezahlten Dienst. Ansonsten sind der Fantasie der Helfer aber keine Grenzen gesetzt -egal, ob sie nun mit ein paar Märchenbüchern unterm Arm oder dem Hund an der Leine aufkreuzen.

Erika Dreßler hat es sich zum Beispiel angewöhnt, zusätzlich zu den wöchentlichen oder 14-tägigen Besuchen auch per Telefon Kontakt zu halten. Da sie selbst seit vielen Jahren verwitwet ist, weiß sie, "wie schwer es ist, alleine zu leben". Das A und O für Frau Dreßler ist deshalb: "Reden mit den Leuten, die niemanden haben, einfach reden oder reden lassen!"

Der Griff zum Telefon ergänzt die Besuche

Das ist manchmal jedoch leichter gesagt als getan, nämlich dann, wenn alte Leute zum 25. Mal dasselbe erzählen und mit sich und ihrem Leben hadern. Genau darin besteht für Erika Dressler eine der Schwierigkeiten bei diesem Besuchsdienst: "Die meisten Helfer sagen: ,Ich würde gerne eine liebe Oma besuchen.' Oft haben wir aber sehr schwierige Leute, die verbittert sind und den Helfer psychisch belasten können."

Bei der zweiten Frau, die Erika Dreßler besucht, trifft das zu. Die Ehrenamtliche hält das aber keineswegs davon ab, die 90- Jährige zu besuchen, die inzwischen bettlägerig geworden ist, im Gegenteil: "Es reizt mich zu helfen", sagt Erika Dreßler. Schließlich kann sie sich vorstellen, wie sehr die alte Frau leidet. Zu sensibel für das Leid anderer Menschen sollten Freiwillige, die sich im Besuchsdienst engagieren möchten, aber auch nicht sein, erläutert Maria Laube. Es komme vielmehr darauf an, den Betreuten mit Feingefühl zu begegnen und eine gewisse Belastbarkeit mitzubringen.

Katharina zum Beispiel lässt es einfach über sich ergehen, wenn die Frau, die sie besucht, immer wieder dasselbe fragt: "Ich mag alte Leute unwahrscheinlich gern. Ich spüre die Freude, die bei den Menschen ankommt und das macht mich selber wahnsinnig glücklich", sagt die 16-Jährige, die sich früher am Wochenende schon immer um ihre Uroma gekümmert hat. Außerdem hofft die Jugendliche, "dass mich dann auch jemand besuchen kommt, wenn ich mal so alt bin".

Zeitmangel ist für Maria Laube übrigens kein Argument, sich nicht im Besuchsdienst zu engagieren, selbst dann nicht, wenn jemand wirklich nur eine Stunde im Monat übrig hat: "Dann muss ich als Koordinatorin eben sehen, wo ich den hinschicke." Und wenn die Zeit für einen Besuch mal nicht reicht, dann tut es ja -wie bei Erika Dreßler -auch der Griff zum Telefonhörer.

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 15 des 52. Jahrgangs (im Jahr 2002).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Freitag, 12.04.2002

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