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Aus der Region

Von lebendigem Gottesdienst angetan

Welttag für geistliche Berufe: Seit der Wende studieren litauische Priesteramtskandidaten in Erfurt

Litauische Priesteramtskandidaten: Jurgis Vitkovski und Kestutis Dvareckas studieren in Erfurt Theologie.

Erfurt (ep) -"Die Zeit in Erfurt ist ein Geschenk. Wir müssen sie gut nutzen: Deutsch sprechen, Theologie studieren, die Kirche und die Menschen hier kennen lernen, wie sie den Glauben leben." Gemeinsam mit vier weiteren Litauern studieren Jurgis Vitkovski und Kestutis Dvareckas in Erfurt Theologie, um sich auf den Dienst als Seelsorger in ihrer Heimat vorzubereiten. Der aus Pabarè im Erzbistum Vilnius stammende 24-jährige Vitkovski ist seit gut zweieinhalb Jahren in Erfurt und wird im Sommer Examen machen. Sein 21-jähriger Studienkollege ist im vergangenen Herbst aus Alytus im Bistum Kaisiadorys nach Thüringen gekommen und studiert im sechsten Semster.

"Das Leben im Seminar in Vilnius war für mich einfacher als das hier in Erfurt", gesteht Vitkovski, der wie die anderen litauischen Kommilitonen zunächst zwei Jahre im Priesterseminar seiner Heimatdiözese war. "Die Tagesordnung im Seminar in Vilnius ist streng geregelt. Zum Beispiel muss man jeden Tag am Gottesdienst seines Studienjahres teilnehmen. Hier in Erfurt können wir uns aussuchen, wo wir zur heiligen Messe gehen. Das Seminar hier ist eine Schule der Freiheit, aber auch der Verantwortung", so Vitkovski. Sein Kommilitone Dvareckas fügt hinzu: "Aber das ist gut so. In unserem späteren Leben als Priester kontrolliert uns auch niemand." In ihrer Heimat hat den Theologen gefallen, dass die Seminaristen sonntags in Gemeinden gehen und dort nach der Messe mit Kindern und Eltern Katechese halten, zum Beispiel die Kinder auf die Erstkommunion oder Firmung vorbereiten -eine Praxis, wie sie in Erfurt nicht üblich ist.

Schule der Freiheit und Verantwortung

Bevor Vitkovski und Dvareckas nach Erfurt geschickt wurden, haben sie -vermittelt durch Prälat Bernhard Rachwalski -drei Jahre lang jeden Sommer drei oder vier Wochen in Familien im Bistums Dresden-Meißen gelebt, vor allem, um Deutsch zu lernen. "Das war ein volles Bildungsprogramm", schwärmt Jurgis Vitkovski von dem, was er in dieser Zeit von Deutschland gesehen hat. Begeistert sind die beiden von der großen Auswahl an theologischer Literatur an der Theologischen Fakultät. Schon allein deshalb lohne es sich, deutsch zu lernen.

Beeindruckt sind die beiden jungen Männer auch davon, "wie die Gläubigen hier ihr Christsein leben": Vitkovski: "Mir war nicht klar, dass es hier nur vier Prozent Katholiken gibt -in Litauen sind es rund 70 Prozent. Aber ich konnte mir auch nicht vorstellen, wie sich die Menschen im Gottesdienst beteiligen, wie sie mitsingen und mitbeten, die Liturgie verstehen." In Litauen seien die Leute dies einfach nicht gewohnt, und es gebe bislang kein einheitliches Gesangbuch. Vitkovski: "In der kommunistischen Zeit war es bei uns zwar nicht so schlimm wie in der Tschechoslowakei, dennoch waren die Möglichkeiten, den Glauben zu praktizieren, begrenzt. Mein Vater ist zum Beispiel heimlich in eine andere Stadt zur Beichte gefahren." Dvareckas: "Bei uns glauben viele Menschen an Gott, aber sie gehen nicht alle regelmäßig zur Kirche. Familienkreise gibt es nur in einigen Städten, nicht aber auf dem Land."

Vitkovski und Dvareckas fühlen sich gut angenommen von ihren deutschen Mitstudenten. Einmal in der Woche spielt Vitkovski zum Beispiel mit deutschen Kommilitonen Fußball. Wenn einer der Litauer wegen der Sprache Unterstützung braucht, seien die deutschen Kollegen immer sehr hilfsbereit. Dennoch empfinden die beiden ihre Situation als nicht ganz einfach: Dvareckas: "Für unsere Mitstudenten in Litauen gehören wir nicht mehr richtig dazu, und hier bleiben wir letztendlich doch Fremde." Vitkovski: "Wer selbst in einem fremden Land lebt, denkt ganz anders über Ausländer. Wenn jemand im eigenen Land einen Witz erzählt, lachen alle. Aber der Fremde versteht ihn oft nicht, selbst wenn er die Sprache beherrscht ..." Hinzu komme die andere Mentalität. Dvareckas: "Wenn ich in Litauen einen Freund treffen will, gehe ich einfach hin. Wenn du in Deutschland einen Freund besuchen willst, musst du dich vorher telefonisch anmelden."

Die Ferienwochen im Sommer oder freie Tage zwischendurch verbringt Jurgis Vitkovski in Crimmitschau. Dort hat er zwei Mal zwei Monate Gemeindepraktikum gemacht und sich mit dem Pfarrer angefreundet: "Ich habe mit dem Pfarrer Michael Wyppler Firmlinge vorbereitet, Kranke besucht, die jeweilige Lesung für den Gottesdienst richtig sprechen und lesen geübt und auch Religionsunterricht gehalten." Und auch Firmpate ist er in Crimmitschau geworden. "Ich habe im Pfarrhaus mein Zimmer, kann immer hinkommen und übernehme dann Aufgaben im Gottesdienst, gehe mit in die Familienkreise." Dass er dabei immer deutsch sprechen muss, sei ein positiver Nebeneffekt.

Und wie steht es mit dem Deutschsprechen, wenn sich die sechs Litauer zum Beispiel nach Ferien im Priesterseminar treffen? "Der Regens ermahnt uns zwar immer, nur deutsch zu sprechen. Aber wenn wir uns spontan zusammenfinden, reden wir litauisch. Litauer untereinander müssen litauisch sprechen."

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 16 des 52. Jahrgangs (im Jahr 2002).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Donnerstag, 18.04.2002

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