Jetzt 4 Wochen kostenfrei Tag des Herrn lesen!
Spezial

"Heute bitten wir um eure Hilfe!"

Letzter Guardian der Franziskaner in Dingelstädt leitet Kloster in Betlehem

Kein Friede in Betlehem: Rauch steigt am 11. April nahe der Geburtskirche auf. Die Kirche wird seit fast zwei Wochen von der israelischen Armee belagert.

Hülfensberg / Dingelstädt / Betlehem (tdh / kna) -Die ostdeutschen Franzsikaner und viele katholische Christen besonders im Eichsfeld sind in diesen Tagen mit ihren Gedanken oft in Betlehem, denn: Einen der im dortigen Kloster bei der Geburtskirche eingeschlossenen Franziskaner kennen sie gut. Johannes Simon war bis 1994 Guardian des dann aufgelösten Franziskanerklosters auf dem Kerbschen Berg. Heute leitet er das Kloster in Betlehem. Seit über zwei Wochen sind in der Geburtskirche und den angrenzenden Klöstern rund 200 teils bewaffnete Palästinenser zusammen mit etwa 40 katholischen, armenischen und orthodoxen Ordensleuten von der israelischen Armee eingeschlossen.

"In unseren regelmäßigen Gebeten denken wir an unsere Mitbrüder, aber auch an alle Menschen im Heiligen Land, an die Verantwortlichen, dass sie zur Einsicht kommen, an die Leidenden, das sie Befreiung finden", berichten die Franziskaner vom Hülfensberg. An Pater Johannes haben sie ein Solidaritätsfax geschrieben. "Wir hoffen auf eine glimpfliche Lösung, haben dafür aber außer der Zusage, dass von israelischer Seite die Kirche nicht angetastet wird, keine absolute Garantie. Gott möge eine Katastrophe verhindern", heißt es in seiner Antwort.

Schießereien, nächtlicher Psychoterror, Abschaltung von Strom und Wasser, fehlende Medikamente, knapper werdende Lebensmittel, ein getöteter Palästinenser, der nicht begraben werden kann -wie dramatisch die Lage ist, geht aus verschiedenen Berichten von Pater Johannes hervor. Eine medizinische Versorgung ist zwar inzwischen zumindest teilweise ermöglicht worden, auch für Pater Johannes selbst, der an Diabetes leidet. Ob die Eingeschlossenen aber mit Lebensmitteln und Wasser versorgt wurden, war zu Redaktionsschluss ebenso unklar, wie die weitere Entwicklung der Situation. Auf alle Fälle betonten die Ordensleute wiederholt, sie fühlten sich nicht als Geiseln der Palästinenser, sondern sie blieben in den Gebäuden rund um die Geburtskirche, weil sie so ein Blutbad verhinden wollen. "Wir sind für die Israelis ein Hindernis, wenn wir rausgehen würden, hätten sie freie Hand", sagte Pater Johannes in einem Interview mit dem Deutschlandfunk.

Weltweit sind inzwischen Bemühungen im Gange, um eine humanitäre Lösung herbeizuführen. Die Franziskaner haben sich an die jüdischen Gemeinden in aller Welt gewandt: "Wir vertrauen auf unsere älteren jüdischen Brüder und auf die große Sympathie, die zwischen Juden und der franziskanischen Gemeinschaft besteht", heißt es in einem Schreiben, in dem daran erinnert wird, wie Franziskaner besonders in Assisi 1943/44 hunderten von Juden das Leben retteten. "Heute bitten wir um eure Hilfe!"

Auch die vatikanische Diplomatie läuft auf Hochtouren. Ein besonderes Zeichen kam am Montag von Papst Johannes Paul II. Er rief persönlich bei den eingeschlossenen Franziskanern an. "Unsere Moral war am Ende. Es war ein ganz wichtiges Gespräch -nicht nur für uns Patres, sondern für ganz Betlehem", hieß es anschließend aus dem Kloster.

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 16 des 52. Jahrgangs (im Jahr 2002).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Donnerstag, 18.04.2002

Aktuelle Empfehlung

Der TAG DES HERRN als E-Paper - Jetzt entdecken!

Aktuelle Buchtipps