Anders und doch unter den Leuten
Karmelitinnen seit fünf Jahren in Weimar
Weimar (ep) - Allein schon von der Lage ihres kleinen Klosters haben sie etwas mit den ersten Karmeliten gemeinsam: Wie die Begründer des Ordens sich als Einsiedler den Berg Karmel (heute Israel) als Aufenthaltsort gewählt hatten, so leben auch die Karmelitinnen von Weimar-Schöndorf dem Himmel ein kleines Stück näher - auf einer Anhöhe oberhalb der Klassikerstadt. Doch obwohl sie ihr Leben hinter Klostermauern und zu allererst mit Blick auf Gott führen, verstehen sie sich zugleich auch als Gemeinschaft, die mit und unter den Menschen in der Schöndorfer Siedlung, in Weimar und in der mitteldeutschen Diaspora leben und auf ihre Weise für sie dasein will.
"Wir mühen uns, bewusst in der Gegenwart Gottes zu leben", beschreibt Schwester Marie-Therese die karmelitische Lebensart. Vergleichbar sei dies ein Stück mit der Haltung von Menschen, die glücklich miteinander verheiratet sind: Sie denken bei ihrem Tun oft liebevoll an ihren Partner. Ziel des Ordensleben sei es, Gott bei allem Tun - also nicht nur in Gebet und Medita-tion - liebend im Blick zu behalten, sich seiner Gegenwart bewusst zu sein und Menschen und Dinge um sich herum als seinen Anruf zu begreifen.
Und hier habe dann auch das stellvertretende Gebet seinen Platz. Schwester Elisabeth: "Für viele Probleme, die Menschen haben, gibt es konkrete Hilfe: Jemandem mit viel Arbeit etwas abnehmen, einen Armen finanziell unterstützen, einen seelisch Angeschlagenen psychologisch begleiten. Aber es gibt auch Nöte, wo niemand richtig helfen kann. Wir bieten Menschen in solchen Situationen unser fürbittendes Gebet an."
Fürbittend treten die Schwes-tern vor Gott aber auch für die große Probleme in der Welt ein, bitten um Frieden, um gerechte Verteilung der Güter der Erde. Deshalb gehört es zu ihrem Tagesprogramm, sich über Zeitung und Tagesschau zu informieren, was in der Welt geschieht.
Seit fünf Jahren leben die Karmelitinnen inzwischen in ihrem Kloster in Weimar-Schöndorf gleich neben der katholischen Kirche, die - in der Nachbarschaft des Konzentrationslagers Buchenwald einmal als Sühnekirche gebaut wurde und über etliche Jahre Gotteshaus einer Pfarrkuratie war. Zunächst hatten die aus dem Karmel in Dachau gekommenen Ordensfrauen 1995 ihr Quartier im Pfarrhaus von Oberweimar aufgeschlagen, waren dann aber nach Umbau des Schöndorfer Pfarrhauses im Juli 1996 in ihr eigentliches Domizil gezogen. In den letzten Jahren - die Klostergemeinschaft ist inzwischen auf sechs Ordensfrauen angewachsen - wurde das einstige Pfarrhaus etwas erweitert: Ein kleiner gläserner Kreuzgang, der Kirche, einen Gebetsraum sowie die Arbeits- und Wohnräume der Schwestern miteinander verbindet, ist entstanden. An den Kreuzgang wurden in den dahinter liegenden Garten hinein zwei kleine Wohntrakte angebaut, in denen sich je drei Zellen für die Schwes-tern befinden. Zu dem ursprünglich kleinen Pfarrhausgelände ist ein großer Garten hinzugekommen.
Zwei Zimmer stehen im Klos-ter Gästen zur Verfügung. Von dem Angebot, in Stille Tage im Kloster zu verbringen oder auch das Leben der Ordensfrauen kennen zu lernen, haben schon einige Interessierte, darunter auch Nichtchristen, Gebrauch gemacht. Immer öfter kommen Menschen zu den Karmelitinnen, die das persönliche Gespräch und geistliche Begleitung wünschen, aber auch solche, die auf der Suche nach ihrem Weg und nach Sinn im Leben sind.
In letzter Zeit gehören zu den Besuchern auch zunehmend Firm- und kleinere Jugendgruppen, die einmal aus der Nähe ein wenig das klösterliche Leben kennen lernen möchten. Dabei machen die Karmelitinnen die Erfahrung, dass die jungen Leute, aber auch Erwachsene, die in der Kirche zu Hause sind, wenig Ahnung vom Ordensleben haben, und schon gar nicht von einem kontemplativen, gebetsintensiven Orden wie es die Karmelitinnen sind. Dies sei allerdings auch nicht verwunderlich, da es in Thüringen sonst kaum Klöster gibt. Eher bekannt seien karitativ tätige Schwestern.
Inzwischen fühlen sich die Karmelitinnen in der thüringischen Diaspora durchaus angenommen und ein Stück zu Hause. Viele der überwiegend ungetauften Einwohner von Weimar-Schöndorf würden nicht ohne Stolz davon sprechen, in ihrem Ort ein Kloster zu haben. "Sie fühlen sich in ihrer Lebenssituation hier ein wenig bestärkt, dass wir hier gemeinsam mit ihnen am Ort leben", sagt Priorin Schwester Hildegard. "Wir haben das Gefühl, dass die Menschen unser kleines Kloster irgendwie als Anruf verstehen", sagt Schwester Marie-Therese. "Manche würden heute sagten, von unserem Kloster geht etwas wie heilsame Energie aus", so Schwester Gisela.
Prägend für den Tagesablauf der Karmelitinnen ist an erster Stelle das tägliche stille Gebet, dann aber auch das Stundengebet mit Laudes, Sext, Non, Vesper und Komplet und die Eucharistiefeier, die Tagesarbeit, die weitgehend in einer Atmosphäre der Stille verrichtet wird sowie der abendliche gemeinsame Austausch. Die Schwestern unterhalten eine kleine Paramentenwerkstatt, verzieren Kerzen, bieten in einem kleinen Klosterladen religiöse Bücher, Kreuze, Kerzen an, bauen aber auch im Garten Blumen und für den Eigenverbrauch Obst und Gemüse an. Eine Schwester übernimmt Übersetzungsarbeiten vor allem von Texten aus der Ordensspiritualität. Und auch die Gäste wollen umsorgt sein. So verdienen sie sich das Geld für den eigenen Unterhalt.
"Wir leben zurückgezogen, um uns den Raum der Stille zu bewahren", sagt Schwester Christa. "Diesen Raum brauchen wir, um die innere Aufmerksamkeit für Gott pflegen und unserer Aufgabe gerecht werden können." Dies sei auch der Grund dafür, warum sie nicht an kulturellen Dingen in Schöndorf oder Weimar teilnehmen, obwohl sie dazu gern gesehen wären und obgleich die Schwestern beispielsweise in die Stadt zum Zahnarzt fahren. "Wir haben die Erfahrung gemacht: Wenn wir den Leuten erklären, warum wir zum Beispiel nicht zu einer Brunneneinweihung hier in der Siedlung kommen, dann verstehen sie dies auch."
Dass sich ihr kleines Kloster in der Nachbarschaft von Buchenwald befindet und dass die Schöndorfer Kirche einmal als Sühnekirche von der katholischen Jugend Thüringens errichtet wurde, habe in den letzten Jahren ein wenig mehr an Bedeutung gewonnen. Die Zahl katholischer Gruppen und Einzelreisender, die Buchenwald besuchen und einen Abstecher auch zur Kirche machen, habe ein wenig zugenommen, so die Schwestern. "Im Gegensatz zur Gründung von Dachau 1964 haben wir hier nicht die Nähe zum KZ gesucht. Aber es hat uns ein wenig eingeholt", sagt Schwes-ter Christa.
Kontaktadresse: Karmelitinnenkloster St. Teresa, Edith-Stein-Straße 1,
99427 Weimar-Schöndorf,
Tel. (0 36 43) 42 00 74.
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Donnerstag, 26.04.2001