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Aus der Region

Nichts muss bleiben, wie es ist

Kloster Volkenroda: Ein Ort zeigt, dass der Glaube Veränderung möglich macht

Start in die erste richtige Saison: Wolfgang Kemper (Zweiter von rechts) und Mitglieder der Jesus-Bruderschaft vor der ehemaligen Expo-Kirche, die jetzt im Kloster Volkenroda steht. Am 5. Mai wird Kemper als Pfarrer am Christus-Pavillon eingeführt.

Volkenroda -Ein bisschen Übung fehlt ihm noch. Wolfgang Kemper hat Mühe, die großen Tore des Pavillons zu öffnen. Im Inneren des Gebäudes, das ursprünglich auf der Expo in Hannover stand und im vergangenen Jahr im wieder aufgebauten Kloster Volkenroda bei Mühlhausen neu eröffnet wurde, ist er ganz in seinem Element. Begeistert erzählt er von der Wirkung des Lichtes beim Gottesdienst am Ostermorgen und von der Akustik -Kempers Hobby sind jiddische Lieder. Die neu gestalteten Seitenkammern haben es ihm besonders angetan. Ein Mitglied der Jesus-Bruderschaft hat sie nach biblischen Motiven künstlerisch gestaltet. Kemper selbst gehört zwar nicht zur Jesus-Bruderschaft, die seit 1994 in Volkenroda lebt, wird aber jetzt eng mit ihr zusammenarbeiten. Bis vor kurzem war er evangelischer Pfarrer in der rheinischen Kirche, am 5. Mai wird er als Pfarrer am Christus- Pavillon in Volkenroda eingeführt.

"Das war nicht unsere Absicht"

Lockte die Wiederaufbauleistung schon bisher Menschen aus nah und fern in das kleine Dorf, so ist die Expo-Kirche jetzt ein ganz besonderer Anziehungspunkt. 40 000 Besucher kamen im vergangenen Jahr -ein Rekord. Aber das ist den Verantwortlichen fast ein bisschen peinlich. "Wunder von Volkenroda" hieß kürzlich eine Überschrift in der Hamburger Wochenzeitung "Die Zeit". "Wir haben damit immer etwas Bauchschmerzen", kommentiert Gerd Sander, Mitglied der Jesus- Bruderschaft und Geschäftsführer. "Wir sind eine kleine Schar und versuchen unser Bestes zu geben. Ein Aushängeschild für den Erfolg zu werden, war nicht unsere Absicht." Die Entwicklung sei nicht strategisch angelegt gewesen. Die Jesus-Bruderschaft hatte sich Anfang der 90er Jahre sogar schwer damit getan, das Projekt in Volkenroda zu übernehmen. Ein anderes damals im sächsischen Hennersdorf gestartetes Vorhaben band viele Kräfte, berichtet Bruder Michael Mohrmann. Die Initiative aber, die sich vor Ort für den Wiederaufbau des Klosters eingesetzt hat, habe sie schließlich überzeugt.

Dieser Impuls des Umbruchs in der Wendezeit sei das eigentlich Entscheidende, meint Gerd Sander. Wenige Leute aus Volkenroda und Umgebung haben damals gesagt: "Wir möchten unser Umfeld wieder neu aus dem Glauben gestalten. Wir möchten den Ort des Gebetes wieder zum Ort des Gebetes machen." Die Jesus-Bruderschaft sei zwar auch wichtig, komme aber erst an zweiter Stelle.

Das 1131 gegründete Kloster wurde im Bauernkrieg unter dem Einfluss Thomas Müntzers zerstört. Zu DDR-Zeiten war das Gelände ein Landwirtschaftsbetrieb. Die Kirche wurde 1968 wegen Baufälligkeit geschlossen. Das Bestreben der DDR, große sozialistische Zentraldörfer zu schaffen und kleinere Orte "abzusiedeln", hätte schließlich das Ende für den 200 Einwohner zählenden Ort bedeutet. Doch soweit kam es nicht: In den letzten zwölf Jahren hat sich das Bild grundsätzlich geändert. Das alte Kloster ist in weiten Teilen wiederhergestellt. Ein Aufbruch, der auch das Bild des ganzen Dorfes bestimmt hat. Zahlreiche Arbeitsplätze wurden geschaffen, sogar eigene Firmen wurden gegründet oder haben sich im Umfeld des Klosters angesiedelt. Eine Jugendbildungsstätte und ein Landwirtschaftsbetrieb gehören dazu. Die neuen Klosterbewohner haben dabei an die alten Ordens- und Klostertraditionen angeknüpft -an das "Ora et labora -Bete und arbeite" der Benediktiner genauso wie an die Tradition der Klöster, die Bildungs- und Kulturträger ihrer Zeit waren. Deshalb gibt es in Volkenroda zahlreiche künstlerische und kulturelle Veranstaltungen. Der Pavillon biete dafür jetzt noch bessere Voraussetzungen.

Ein Blick in den Veranstaltungskalender dieses Jahres zeigt die Vielfalt des neuen klösterlichen Lebens: Jeweils am ersten Sonntag eines Monats (außer Juli) gibt es einen Begegnungssonntag. Am 15. / 16. Juni sind junge Leute zum zweiten ökumenischen Jugendfestival eingeladen. Eine "Messe Erlebniswelt Glauben" vom 16. bis 18. August will mit verschiedenen Angeboten -von der "Nacht der Genüsse" bis zum Gottesdienst -den Glauben erlebbar machen. Angesprochen seien besonders Menschen, "die mit erlebnisorientierten Projekten neuen Schwung in die Kirche bringen wollen", wie es in der Einladung heißt. Ein Höhepunkt der kulturellen Veranstaltungen wird am 14. September die Uraufführung eines Oratoriums zu Texten von Paul Celan sein -eine gemeinsame Komposition von Ryuji Kubota (Tokio) sowie René Mense und Thorsten Kuhn (beide Hamburg). Und ökumenisch soll das Sommerhalbjahr am 31. Oktober abgeschlossen werden. Das Kloster Volkenroda lädt dazu gemeinsam mit den Franziskanern vom Hülfensberg ein.

Die großen Besucherzahlen machen eine detaillierte Programmplanung notwendig. Dennoch: "Nicht die Massen, sondern der Einzelne ist für uns wichtig", sagt Gerd Sander. "Wir versuchen als Gemeinschaft miteinander zu glauben, zu leben und zu arbeiten. Wer zu uns kommt, ist eingeladen daran teilzuhaben" -sei es als Tagesgast oder als jemand, der eine Zeit lang in der Gemeinschaft mitlebt.

"Die Menschen sollen Hoffnung mitnehmen"

Der Pavillon wird diesem Jahr eine besondere Prägung geben. Sander: "Es ist die erste richtige Saison. Wir wollen versuchen, das Gebäude miteinander in Besitz zu nehmen." Für ihn wie für Pfarrer Kemper heißt das vor allem, der Christus-Pavillon soll "Gottes- und Glaubenserfahrungen ermöglichen". Wer schon getauft ist, solle hier seinen Glauben vertiefen können. Wer es nicht ist, könne hier vielleicht zum ersten Mal etwas vom Glauben erfahren. Gerade dafür sei der Pavillon besonders geeignet. Pfarrer Kemper hat einen Vergleich: "Die wieder aufgebaute alte Klosterkirche ist wie das Allerheiligste des Tempels in Jerusalem zur Zeit Jesu. Sie ist der Raum der Ehrfurcht und der Stille vor Gott. Der Christus-Pavillon ist so etwas wie der Vorhof des Tempels. Auch hier ist Gottesbegegnung möglich. Vieles, was Jesus getan hat, hat er nicht im Allerheiligsten getan, sondern im Vorhof." Die Expo-Kirche hat dabei den Vorteil, dass die Menschen nicht erst große Berührungsängste abbauen müssen, wie sie sie beim Betreten einer Kirche vielleicht haben, meint Gerd Sander. "Die bauliche und künstlerische Gestaltung und das Programm bieten viele Anknüpfungspunkte für die Evangelisation."

Die Erfahrung, die die Mitglieder der Jesus-Bruderschaft und Pfarrer Kemper dabei mit den Menschen im Osten Deutschlands machen, sind positiv. Was ist ein Kloster? Was sind Mönche? Warum hat sich hier so vieles so positiv verändert? "Das Interesse der Besucher ist ein hervorragender Anknüpfungspunkt für Gespräche", sagt Bruder Michael Mohrmann. Gespräch auch über Glaubensfragen, denn die Ostdeutschen hätten einen großen Vorteil: "Ihnen fehlt die Schutzimpfung Kindertaufe", sagt Pfarrer Kemper scherzhaft. So sei es viel einfacher, miteinander über den Glauben ins Gespräch zu kommen, als im Westen.

Was sie den Menschen mitgeben können? Volkenroda sei ein Symbol dafür, das der Glaube Menschen in Bewegung setzen kann, sagt Sander. "Wir wünschen uns, dass die Menschen, wenn sie wieder zurückgehen, etwas von diesem Hoffnungsimpuls mitnehmen: Es muss nichts so bleiben wie es ist! Veränderung ist möglich!" Und wenn Menschen dann in ihrem Dorf, in ihrer Pfarrgemeinde oder in ihrer Familie etwas verändern und wieder neu anfangen, ist das für Gerd Sander, für Wolfgang Kemper und alle anderen Mitstreiter das eigentliche Wunder von Volkenroda.

Matthias Holluba


Hinweis: Der Christus-Pavillon ist vom 5. Mai bis 31. Oktober nachmittags für alle Besucher geöffnet (außer Montag). Am Vormittag steht er Gruppen zur Verfügung (nach Voranmeldung).

Kloster Volkenroda
99998 Körner-Volkenroda
Tel. (03 60 25) 5 59-80
www.kloster-volkenroda.de

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 17 des 52. Jahrgangs (im Jahr 2002).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Donnerstag, 25.04.2002

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