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Auf zwei Minuten

Vom Sinn der Tapferkeit

Der Tapfere ist kein blinder Fanatiker, kein hemmungsloser Draufgänger...

Pater Damian

Immer wieder erreicht uns die Nachricht aus Palästina: Ein Selbstmord-Attentäter sprengt sich in die Luft und reißt andere, die unglücklicherweise gerade in der Nähe sind, mit in den Tod. Der fanatische Täter wird dann als mutiger und tapferer Held gefeiert, denn er hat sich ja für die "gerechte Sache" geopfert. Angesichts dieser Geschehnisse und der Verwirrung der Begriffe und Wertvorstellungen ist es gut, sich auf die christliche Tradition zu besinnen, die eine andere Vorstellung von "Tapferkeit" kennt.

In der Reihe der vier Kardinaltugenden Klugheit, Gerechtigkeit, Tapferkeit, Maß nimmt die Grundhaltung der Tapferkeit den dritten Platz ein. Mit "Tapferkeit" ist nicht in erster Linie eine militärische Eigenschaft gemeint. Es geht um die Bereitschaft und geübte Praxis für die Verwirklichung des Guten, Verwundung und Gefahr -bis hin zur Hingabe des Lebens im Martyrium -auf sich zu nehmen. Dass das Böse in der Welt und auch in uns selbst eine Realität ist, braucht nicht bewiesen zu werden. Wir erleben es täglich. Und gegen die Macht des Bösen -ob in ungerechten Strukturen oder in einzelnen Personen verankert -lässt sich das Gute und die Gerechtigkeit nur mit Widerstand durchsetzen. Der Kampf gegen die Furcht erregende Macht des Bösen durch Standhalten und Angriff ist das Amt der christlichen Tugend der Tapferkeit. Nach Augustinus ist die Tapferkeit selbst ein "unwiderleglicher Zeuge" für die Existenz des Bösen. Das Wort Tapferkeit mag für uns heute einen veralteten oder rein militärischen Beigeschmack haben, aber "Mut" und "Zivilcourage" treffen den Begriff nicht vollständig.

Wie gesagt, nimmt die Tapferkeit in der Reihe der Kardinaltugenden den driffen Platz ein. Wer tapfer sein will, muss die Tugend der Klugheit (auch Sachlichkeit genannt) haben: "Er muss sein Tun ausrichten an der Wahrnehmung der Wirklichkeit und (christlichen) Werteordnung. Und eine tapfere Tat ist immer gebunden an die Gerechtigkeit, die es zu verwirklichen gilt."

Der Tapfere ist deshalb kein blinder Fanatiker, kein hemmungsloser Draufgänger, der sich vor nichts fürchtet. Josef Pieper hat in seiner klassischen Studie über die Kardinaltugenden klar herausgestellt: "Tapfer sein ist nicht dasselbe wie keine Furcht haben. Ja, die Tapferkeit schließt eine bestimmt Art von Furchtlosigkeit geradezu aus, nämlich jene Furchtlosigkeit, die auf einer falschen Einschätzung und Bewertung der Wirklichkeit beruht. Solche Furchtlosigkeit ist entweder blind und taub für die wirkliche Gefahr, oder sie stammt aus einer Verkehrung der Liebe. Denn Furcht und Liebe bedingen einander: Wo einer nicht liebt, da fürchtet er auch nicht, und wer verkehrt liebt, fürchtet verkehrt. Wer den Willen zum Leben verloren hat, fürchtet den Tod nicht ... Der Tapfere ist sehend; er sieht, dass die Verwundung, die er auf sich nimmt, ein Übel ist ...Er liebt nicht den Tod, und er verachtet nicht das Leben."

Pater Damian Meyer

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 17 des 52. Jahrgangs (im Jahr 2002).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Donnerstag, 25.04.2002

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