Ein Haus, sich selbst zu finden
80 Jahre Bildungs- und Exerzitienhaus Hoheneichen
Dresden (tg) -Vor 80 Jahren konnte der Jesuitenorden in Sachsen nach jahrzehntelanger Pause wieder ein eigenes Haus in Besitz nehmen. 1922 bekam er die Villa Hoheneichen, im Osten Dresdens, nahe Pillnitz gelegen. Heute ist Hoheneichen Exerzitien- und Bildungshaus. Mit einem Festprogramm wurde das Jubiläum am vergangenen Wochenende gefeiert.
Es war Maria Immaculata von Sachsen (1874-1947), die Schwägerin des letzten sächsischen Königs, die die ehemalige Villa am Elbhang kaufte und der Societas Jesu (SJ) schenkte. Die tief gläubige Katholikin, die dem italienischen Zweig des französischen Adels entstammte, sorgte sich vor allem um die Förderung des Priesternachwuchses. So gab sie auch den Anstoß zur Gründung des "Frauenhilfswerkes für Priesterberufe" 1926 in Freiburg. Mit Hoheneichen verfolgte sie das Ziel, "das Heil vieler Seelen durch eine Niederlassung der Jesuiten zu bewirken". Sie ließ damit nach 75-jähriger Pause die Tradition der Jesuiten im überwiegend protestantischen Sachsen wieder aufleben. Als Institution waren die Jesuiten in Sachsen ab Mitte des 19. Jahrhunderts nicht mehr vertreten.
1941 beschlagnahmte die Gestapo das Haus Hoheneichen und vertrieb die Jesuiten. Als Pater Otto Pies dagegen protestierte, kam er ins KZ Dachau. Die Russischkenntnisse des sorbischen Paters Stanislaus Nauke beeindruckten die sowjetischen Besatzungstruppen derart, dass sie den Jesuiten das Haus 1945 zurückgaben. Seither ist es wieder ein Ort für Besinnung und Einkehr, wo zahlreiche Kurse stattfinden. 1997 und 98 wurde es grundlegend renoviert, hinzu kamen ein modernes Gebäude, eine Kapelle und ein kleines Wohnhaus für die Patres, die hier als geistliche Begleiter fungieren.
Heute sei Hoheneichen ein "geistiges und spirituelles Zentrum in Sachsen", sagt Pater Markus Franz. Angeboten werden vor allem Exerzitien. Etwa zwei Drittel der Teilnehmer seien katholisch, ein Drittel evangelisch, sagt Pater Franz. Konfessionslose seien eher selten, obgleich auch sie teilnehmen können. Daneben bietet das Haus Besinnungstage, religiöse Fortbildung und Meditationskurse an. Hoheneichen, so meint Pater Christoph Kentrup, solle ein Haus sein, "wo Leute nachdenken und zu sich selber finden."
Der inneren Einkehr dient auch die moderne Gestaltung, etwa die wuchtigen Skulpturen aus Eichenholz in der Kapelle. Viel Holz ist auch im Hauptgebäude verarbeitet, in dem 43 Personen unterkommen. Neben der Kapelle stehen ihnen auch ein Meditationsraum und vier Seminarräume zur Verfügung. "Viele Menschen suchen gerade in der heutigen, sehr hektischen Zeit einen solchen Ort der Ruhe", meint Pater Kentrup.
Auch Konfessionslosen öffnet sich das Haus mit Veranstaltungen wie einem Wochenende zum Thema Trauer und Abschied im Herbst oder mit Kursen zur Einführung in die christliche Meditation. Wie schon in der Vergangenheit will Hoheneichen auch beim diesjährigen Elbhangfest mit Wort und Musik einen Kontrapunkt zum bunten Trubel setzen. Dreimal jährlich findet ein so genannter "Brunnentag" statt, ein stiller Tag, bei dem den Teilnehmern in der Kapelle ein Gedanke oder ein Bild zum tieferen Nachdenken mitgegeben wird.
Info: Tel. (03 51) 26 16 40
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Donnerstag, 16.05.2002