Ein Stück Weg mitgehen
Matthias Mader ist Seelsorger für psychisch Kranke

Dresden (tg) -Psychisch kranke Menschen fühlen sich ausgeliefert: Immer ist da etwas, das stärker ist als sie selbst. Was anderen normal erscheint, ist ihnen unverständlich. Und kaum einer von den anderen versteht den Kranken. Das macht sie einsam. Matthias Mader erfährt das immer wieder: "Sie sind durch den Boden durchgebrochen, in ihrem Selbstbewusstsein erschüttert. Das Netz, das uns normalerweise trägt, dieses Grundvertrauen, ist durch die Krankheit in Frage gestellt -und nun suchen sie danach."
Seit sechs Jahren ist der 39- jährige katholische Theologe aus dem schleswig-holsteinischen Bad Segeberg Seelsorger in der Dresdner Fachklinik St. Marien für Psychiatrie und Psychotherapie, einer Einrichtung des Caritasverbandes im Bistum Dresden-Meißen. 90 Patienten können hier stationär betreut werden, weitere 25 tagsüber.
Wenn er auf sie zugeht, um mit ihnen ins Gespräch zu kommen, muss Matthias Mader sehr gut beobachten können. Zuerst redet er meist über Alltägliches. "Da muss ich wahrnehmen: Was gehört zu diesem Menschen?" Erst später kommen Fragen danach, wie man mit der Krankheit, der Niedergeschlagenheit umgehen kann, Fragen nach dem Sinn des Leidens. "Depressive wirken oft wie versteinert, fühlen sich wie tot, haben kaum Empfindungen, sehen sich nicht mehr als liebenswert an. Religiöse Menschen beschäftigt dazu ihr Glaube. Sie spüren keine innere Beziehung zu Gott, denken, er lässt sie im Stich, und fühlen sich zugleich schuldig."
Solchen Menschen kann Matthias Mader im Gespräch nicht ohne weiteres Trost spenden. "Einem Depressiven ist eben nicht leichter danach." "Einen Trostlosen trösten", so zitiert er einen Psychologen, "heißt, ihn zu verspotten." Was ist dann einem Seelsorger noch möglich? Dem Kranken immer wieder Mut zu machen beispielsweise, antwortet Matthias Mader. "Stellvertretend Hoffnung vermitteln, ein Stück Weg mitgehen, Stütze sein und so das Mitgehen eines liebenden Gottes erkennbar werden lassen." Wichtig sei auch, die Erfahrung zu vermitteln, dass der andere mit all seiner Not und seinem Leid wahrgenommen wird.
Manchmal staunt Matthias Mader, wie offen manche ihm gegenüber sind. Vielleicht habe das auch mit ihrer Situation zu tun: Sie stehen mit dem Rücken an der Wand. Häufig stellen sie sich Fragen wie: Was wird mit meinem Arbeitsplatz? Was reden die anderen über mich?
Außer in Gesprächen versucht der Seelsorger diese Erfahrung auch in Meditationen und im ökumenischen Gottesdienst für Patienten zu vermitteln. Für den Gottesdienst am Freitagmittag kommt ein Theologieprofessor von der Technischen Universität Dresden. Dazu sind die rund 170 Mitarbeiter der Klinik ebenso eingeladen. Auch für sie ist er da -im Gespräch unter vier Augen, bei gemeinsamen Festen oder den jährlichen Einkehrtagen.
Dass psychisch Kranke sich isoliert, "draußen" fühlen, darüber werde in den Kirchgemeinden viel zu wenig gesprochen, sagt Matthias Mader. Vielleicht, so hofft er, kann das Jahresthema der Caritas "Mittendrin draußen: psychisch krank" das Gespräch anstoßen. Der Umgang mit psychisch Kranken zeige auch, wie weit christliche Mitmenschlichkeit reicht. Die Botschaft des Themas: Diese Menschen brauchen Verständnis, sie haben Anspruch auf Respekt vor ihrer Würde, auch wenn ihre Krankheit sie fremd erscheinen lässt. Noch immer seien um ein psychiatrisches Krankenhaus auch unsichtbare Mauern der Ignoranz oder des Misstrauens gezogen, sagt Matthias Mader. Sie durch Information abzubauen, sei auch das Anliegen des Tages der offenen Tür, der am 29. Mai stattfindet.
Tag der offenen Tür:
Dresdner St.-Marien-Krankenhaus
am 29. Mai
Beginn: 9.45 Uhr
Treffpunkt: Pforte in der Selliner Straße.
Auf dem Programm stehen 10 und 16 Uhr Vorträge
10.30 Uhr Rundgang
14 Uhr Film.
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Donnerstag, 23.05.2002