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Aus der Region

Chancen auf beiden Seiten

Eine Tagung zur Kooperation zwischen Kirche und Tourismus

Wittenbergs Lutherpaar 2002: Ivette Winkler als Katharina von Bora und Wolfgang Pietzner als Martin Luther.

Wittenberg (mh) -Es war schon eine besondere Art der Ökumene, die kürzlich im Rathaus der Lutherstadt Wittenberg praktiziert wurde: Die Vertreterin einer Klosterbrauerei aus dem bayrischen Passau hatte den Darstellern des Lutherpaares beim diesjährigen Wittenberger Stadtfest sechs Flaschen Klosterbier mitgebracht. Die Wittenberger ihrerseits revanchierten sich mit einer Flache "Lutherbier". Die auf dem Tisch des historischen Bürgermeisterzimmers nebeneinander stehenden Flaschen kommentierte Oberbürgermeister Eckhardt Naumann mit den Worten: Die "Bier-Ökumene" sei vollzogen. So scherzhaft diese Bemerkung war, so ernsthaft waren die Diskussionen zu einem Thema, mit dem sich Vertreter der Tourismusbranche und der Kirchen während einer Tagung in Wittenberg auseinandergesetzt haben: "Religion, Kirche, Klöster ,vermarkten'?" hieß die Frage. Wittenberg sei ein angemessener Ort, sich damit zu beschäftigen, unterstrich Naumann. Durch Martin Luther spielen in seiner Stadt Religion und Kirche auch im Tourismus eine besondere Rolle. Das Stadtfest, das in diesem Jahr zum neunten Mal unter dem Motto "Luthers Hochzeit" stattfindet, sei ein Beispiel dafür. Bei der Betrachtung "solch ernsthafter Dinge" wie Religion, Glaube oder Kirche unter Marketinggesichtspunkten bewege man sich auf einem "schmalen Grat". Aber: "Mit der notwendigen Sensibilität ist vieles möglich und erlaubt", fasste Naumann seine Erfahrungen zusammen.

Religion und Kirche ließen sich nicht wie jede andere beliebige Ware vermarkten, unterstrich auch Harald Hensel vom Deutschen Seminar für Tourismus Berlin (DSFB). Weil hier "emotionale und moralische Werte" berührt werden, verbiete sich eine "Vermarkung à la Disneyland" von selbst. "Dennoch prägen Klöster und Kirchen die kulturelle Identität unseres Landes". Er werbe deshalb für eine vermehrte Einbeziehung von religiösen Bräuchen und kirchlichen Räumen in den Tourismus. Die Kirchen könnten damit auch einen Dienst an der Gesellschaft leisten: "Tourismusförderung ist Mittelstandförderung. Stellen Sie sich einmal vor, jeder evangelische Christ würde nur einmal in seinem Leben die Lutherstadt Wittenberg besuchen."

Kirche und Tourismus sollten sich "auf gleicher Augenhöhe begegnen", sagte Hensel. Oberstes Prinzip sei allerdings "die Beachtung der Bedürfnisse der jeweiligen Gemeinde". Eventuelle Reibungsflächen könnten so reduziert werden. Andererseits sagte Hensel in die Richtung der kirchlichen Verantwortlichen: Kirche müsse ihre Gäste, ob religiös oder nur neugierig, willkommen heißen. Das drückt sich schon darin aus, ob eine Kirche geöffnet ist und ob entsprechende Ansprechpartner zur Verfügung stehen. Ausdrücklich lobte er deshalb Initiativen zur Schulung von ehrenamtlichen Kirchenführern, wie es sie in Sachsen- Anhalt gibt.

"Kirchen sind Orte der Besinnung", sagte Hensel. Der Tourist sollte sie "als etwas Lebendiges erfahren, mit dem es sich lohnt, in Kontakt zu treten, weil hier Wichtiges vermittelt wird. Ein Tourist, der eine Kirche betritt, sich hinsetzt und zur Ruhe kommt, findet dann vielleicht auch etwas von den Werten wieder, für die die Kirche steht", ist Hensels Hoffnung. Aus Wittenberger Sicht bestätigte das Matthias Zentner vom Luther- Zentrum: "Vermarktung ist für die Kirchen dann ein Thema, wenn sie ihre Türen weit öffnet, ihren Gästen die steinernen Glaubenszeugnisse zugänglich und erlebbar macht und ihnen ihre spirituellen Schätze anbieten will."

Ein spezielles Thema der Tagung waren touristische Angebote in Klöstern: Rückzug in ein Kloster, natürlich nur auf Zeit, sei ein aktueller Trend, sagte Hermann Paschinger von der österreichischen Vereinigung "Klösterreich", in der sich 20 Ordenshäuser mit entsprechenden Angeboten zusammengeschlossen haben. In diesem Bereich sei besondere Sorgfalt notwendig, hieß Paschingers Forderung: "Urlauber weisen Klöstern in Bezug auf die spirituelle Ausstrahlung und den kulturellen Wert einen sehr hohen Stellenwert zu. Authentisches ist deshalb gefragter denn je!"

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 23 des 52. Jahrgangs (im Jahr 2002).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Donnerstag, 06.06.2002

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