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Auf zwei Minuten

Denken und Beten

Unsere Freude, Hoffnungen und Ängste teilen wir mit Gott.

Pater Damian

Blaise Pascal, der französische Philosoph, hat den Menschen "denkendes Schilfrohr" genannt. "Der Gedanke bildet die Größe des Menschen ... Ich kann den Menschen nicht ohne Gedanken denken; das würde ein Stein sein." Als Menschen haben wir keine andere Wahl, wir sind immer in irgendeinen Denkprozess verwickelt. Das geht bis in den Schlaf und Traum hinein. Das reflektierende Nachdenken, bei dem wir bewusst Erinnerungen und Ideen zurückrufen, ist nur ein Teil unserer geistigen Tätigkeit. Reflexion ist harte Arbeit und erfordert Disziplin, Konzentration und Ausdauer. Daneben kommen uns die Gedanken geflogen wie von selbst. Wir machen unkontrollierte gedankliche Spaziergänge. Und geht es uns nicht oft so, dass wir bei den feierlichsten Anlässen an ganz banale Dinge denken. Wir sprechen von Zerstreuungen. All unsere Gefühle und Empfindungen sind eng mit unseren Gedanken verbunden.

Wie kann nun unser unaufhörliches Denken in Gebet verwandelt werden? Paulus fordert uns ja auf: "Betet ohne Unterlass!" Ist das nicht eine Überforderung? Es ist doch ganz unmöglich, ständig an Gott zu denken. Nicht einmal kontemplative Menschen können das. Wir müssen doch viele Dinge im Kopf haben und uns auf unsere jeweilige Arbeit konzentrieren, uns ganz in Gesprächen anderen Menschen zuwenden. Die Frage ist: Bedeutet Beten ein Denken an Gott im Gegensatz zu einem Denken an andere Dinge oder seine Zeit mit Gott zu verbringen anstatt mit anderen Menschen? Wenn ja, dann wäre Gebet nur möglich zu dafür festgesetzten freien Zeiten, die sicherlich unentbehrlich in unserem geistlichen Leben sind.

Wenn Gebet aber heißt, in der Gegenwart Gottes zu denken und zu leben, dann teilen wir unsere Gedanken an Gott und unsere Gedanken an Menschen und Ereignisse nicht auf. Gebet kann zu unablässigem Gebet werden, wenn all unsere Gedanken -schöne und erhabene, hässliche und niedrige, stolze und beschämende -in der Gegenwart Gottes gedacht werden können. Unsere Gedanken werden zu einem Gespräch mit Gott. Das setzt volles Vertrauen zu ihm voraus. Wir brauchen unsere Gedanken, wie auch immer sie sind, nicht für uns zu behalten, weil wir uns vielleicht ihrer schämen. Unsere Freuden, Hoffnungen und Ängste teilen wir mit ihm. Auch unsere "Zerstreuungen", unsere unkontrollierten Spinnereien. Gott kennt uns ja, vor ihm bleibt nichts verborgen. "Herr, du hast mich erforscht und du kennst mich. Ob ich sitze oder stehe, du weißt von mir. Von fern erkennst du meine Gedanken. Ob ich gehe oder ruhe, es ist dir bekannt; du bist vertraut mit allen meinen Wegen" (Ps 139, 1-3). "Es geht darum, dass wir in unserem Tun und Lassen gesammelt und ganz sein können, dass wir nicht innerlich hin- und hergerissen werden durch ein vermeintliches Frömmigkeitsideal, dass wir, mitten im weltlichen Tun, so auf Gott bezogen bleiben, dass wir dadurch unser Ganzsein nicht nur nicht verlieren, sondern erst recht gewinnen. Weil wir auf Gott das ganze Vertrauen setzen dürfen, können wir auch ganz sein" ( Hans Schaller).

P. Damian Meyer

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 23 des 52. Jahrgangs (im Jahr 2002).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Donnerstag, 06.06.2002

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