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"Der Döner in Berlin ist besser"

Ein deutsch-türkischer Schüleraustausch versuchte, Vorurteile abzubauen

'Fast jeder Türke hier verkauft Döner': Die türkischen Imbissläden sind aus Deutschland nicht mehr wegzudenken.

Berlin -Dass ihr Grillabend etwas verregnet ist, stört die Jugendlichen nicht. Deutsche und türkische Wortfetzen fliegen über den Schulhof. Am Billardtisch klicken die Kugeln aneinander, aus dem Discoraum dringt Musik. Was wie ein ganz normales Sommerfest wirkt, ist für die Hector-Petersen-Oberschule in Berlin-Kreuzberg etwas Besonderes. Denn mit dabei sind Schüler der Jüdischen Oberschule Berlin-Mitte und der Österreichischen Schule Sankt-Georgs- Kolleg in Istanbul. Im Rahmen eines Austauschprogrammes besuchten 20 Istanbuler Jugendliche bis zum 14. Juni ihre beiden Partnerschulen in Berlin. Kennen gelernt haben sich die 16- und 17-Jährigen bereits im Februar während der Türkei- Fahrt der Berliner.

Vorurteile sind großes Problem an den Schulen

Angeregt hat das Projekt die Regionale Arbeitsstelle fürAusländerfragen, Jugendarbeit und Schule (RAA) in Berlin. Der Austausch zwischen den drei Schulen soll "Vorurteile gegen Juden und Moslems durch persönliche Begegnung abbauen", erklärt Britta Kollberg von der RAA. Denn Antisemitismus und Antiislamismus sind ein großes Problem an den Schulen, wie Frau Kollberg durch die Schulsozialarbeit der RAA weiß.

Das multinationale und interreligiöse Experiment scheint zu funktionieren. Beim Grillabend in Kreuzberg ist nicht mehr zuunterscheiden, wer in der Multikulti-Gruppe aus Istanbul und wer aus Berlin kommt. Die Verständigung war von Anfang an kein Problem, da an der Österreichischen Schule in Istanbul auf Deutsch unterrichtet wird. "Auch die meisten Vorurteile waren schon nach den ersten drei Tagen in Istanbul überwunden", erzählt Betreuerin Feride Barbatovci. Gemeinsam arbeiteten die Zehnt- und Elftklässler dort an Projekten über das jüdische Leben in Istanbul oder die Geschichte der Türkei als Aufnahmeland von Flüchtlingen.

Er habe dabei eine Menge über die Türkei gelernt, gesteht Kadir. Etwa wie gastfreundlich die Menschen dort seien und wie streng es in einer türkischen Schule zugehe. Bisher kannte der 17-jährige Berliner die Heimat seiner Eltern nur vom Urlaub bei Verwandten. Enttäuscht ist Kadir nur vom Döner Kebab in Istanbul. "Der in Berlin ist viel besser." Die vielen Dönerläden sind Tuna (17) beim Gegenbesuch in Berlin besonders aufgefallen. "Fast jeder Türke hier verkauft Döner", ist der Eindruck des Istanbulers.

Persönliche Begegnung in den Gastfamilien

Was türkisches Leben an der Spree sonst ausmacht, versuchten die Jugendlichen unter anderem beim Moscheebesuch und durch eine Straßenumfrage unter Berliner Türken herauszufinden. Im Jüdischen Museum und in der KZ-Gedenkstätte Sachsenhausen erkundeten sie die Spuren jüdischen Lebens in Berlin und des Holocaust. Am meisten gelernt über Land und Leute haben sie aber in ihren Gastfamilien, sind sich Tuna und Kadir einig. Auf diesen Effekt der persönlichen Begegnung hat Yossi Esman, Betreuer an der Jüdischen Oberschule, gehofft. "Durch die strengen Sicherheitsmaßnahmen ist unsere Schule sehr isoliert. Das Projekt hat die Teilnehmer offener gemacht."

Ob die RAA den Austausch im nächsten Jahr wiederholt, steht noch nicht fest. Die Jugendlichen aber haben über Religions und Nationengrenzen hinweg Freundschaften geschlossen. Sie wollen sich wieder treffen. "Das Projekt geht unter Menschen weiter, nicht unter Schülern", zieht Yossi Esman Bilanz.

Stefanie Schmelz (kna)

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 25 des 52. Jahrgangs (im Jahr 2002).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Donnerstag, 20.06.2002

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