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Auf zwei Minuten

Mögen und Lieben

Ob man jemanden mag oder nicht, das kann tausend Gründe haben

Pater Damian

Helga S. ist Krankenschwester in einem katholischen Hospital. Sie liebt ihren Beruf und versorgt die Kranken gewissenhaft und eifrig. "Lieben Sie die Patienten, mit denen Sie zu tun haben?" Schwester Helga überlegt einen Augenblick: "Ja, das glaube ich sagen zu können. Aber einige gehen mir furchtbar auf die Nerven. Ich mag sie nicht, kann sie nicht leiden, weil sie nie zufrieden sind und immer nur meckern. Manche benehmen sich widerlich. Aber ich versuche, alle gleich zu behandeln und das Nötige zu tun." Schwester Helgas Haltung ist bewundernswert.

Nächstenliebe -also Achtung vor dem anderen, Mitsorge, Verantwortung -ist etwas anderes als Gernhaben, Hinneigung, Sympathie. Würde das Gottesgebot lauten:"Du sollst deinen Nächsten gern haben wie dich selbst", dann wären wir alle überfordert und müssten sehr oft gegen unsere Natur handeln. Ob man jemanden mag oder nicht, das kann tausend Gründe haben, rein körperliche oder psychische. Verwandte und nächste Bekannte, Kollegen und Kolleginnen sind davon nicht ausgenommen. Es kann aber auch ein Gefühl sein, das schon bei der ersten Begegnung in uns aufkommt.

Wenn ich jemanden liebe, will ich, dass es ihm gut geht

Wir können es nicht begründen. Nächstenliebe dagegen ist Sache des Willens: "Ich will, dass es dich gibt!" Wenn ich jemanden liebe, möchte ich, dass es in Wahrheit gut um ihn bestellt sein möge; dass er das erhält, was er braucht. Eine Zeitung berichtete: Zwei Nachbarn waren wegen einer Grundstücksfrage total zerstritten. Sie konnten einander nicht ausstehen und sprachen nicht mehr miteinander. Eines Nachts brannte das Haus des einen. Sein Nachbar drang unter Lebensgefahr in das brennende Haus ein und zog den bewusstlosen Besitzer ins Freie. So rettete er ihm das Leben. Er mochte ihn nicht leiden, aber er liebte ihn.

In diesem Sinne verstehe ich auch das Gebot der Feindesliebe: "Liebt eure Feinde; tut denen Gutes, die euch hassen. Segnet die, die euch verfluchen; betet für die, die euch misshandeln" (Lk 6,27-28). Und: "Wenn ihr nur die liebt, die euch lieben, wenn ihr nur denen Gutes tut, die euch Gutes tun, welchen Dank erwartet ihr dafür?" (Lk 6,32-33). Ich kann einen Feind nur lieben, also wollen, dass es im Letzten gut mit ihm stehe, wenn ich glaube: Er kann sich mit der Gnade Gottes ändern. Es gibt keine hoffnungslosen Fälle. Und ich überlasse es Gott, durch welche Erfahrungen, Beschwernisse und Leiden er diesen Menschen zur Bekehrung und auf den rechten Weg lenkt.

P. Damian Meyer

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 26 des 52. Jahrgangs (im Jahr 2002).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Donnerstag, 27.06.2002

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