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Aus der Region

Papst für seine Leistung gedankt

Rainer Eppelmann bei Johannes Paul II.

Rainer Eppelmann

Der CDU-Bundestagsabgeordnete und frühere DDR-Bürgerrechtler Rainer Eppelmann hat den Papst über die Aufarbeitung der DDR-Geschichte informiert. Er überreichte ihm die 14 Bände, die die Enquete-Kommission des Bundestages 1994 bis 1998 zur "Überwindung der Folgen der SED-Diktatur im Prozess der deutschen Einheit" erarbeitet hat. Der TAG DES HERRN sprach mit Eppelmann:

Frage: Herr Eppelmann, Sie haben dem Papst in einer persönlichen Begegnung den Abschlussbericht der Bundestags-Enquete-Kommission zur Aufarbeitung der DDR-Geschichte übergeben. Warum?

Eppelmann: Als Bürgerrechtler aus der ehemaligen DDR wollte ich ihm damit Danke sagen. Seine Unterstützung der Solidarnosc- Gewerkschaft in Polen und damit indirekt der Bürgerbewegungen in den mittel- und osteuropäischen Ländern waren eine großartige politisch-historische Leistung und ein wesentlicher Beitrag dazu, dass Europa sich so grundlegend verändert hat. Es gibt einen zweiten Grund: Ich weiß, dass der Papst die 18 Bände der ersten von mir geleiteten Enquete-Kommission zur Aufarbeitung der DDR-Geschichte erhalten hat. Der bayrische Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) hat sie ihm bei einer Privataudienz übergeben. Da mich bisher keiner auf die Ergebnisse der zweiten Kommission angesprochen hat, musste ich davon ausgehen, dass der Papst diese noch nicht hat. Also habe ich sie ihm angeboten.

Frage: Wie hat der Vatikan auf Ihr Anliegen reagiert?

Eppelmann: Erfreulich unkompliziert. Innerhalb von zwei Wochen erhielt ich eine Antwort aus dem päpstlichen Sekretariat. Darin teilte man mir mit, dass man mich sehr gerne empfangen möchte. Aufgrund des Gesundheitszustandes des Papstes sei allerdings keine Privataudienz möglich. Es gebe aber die Möglichkeit zu einer persönlichen Begegnung im Rahmen einer Generalaudienz.

Frage: Wie haben Sie die Audienz erlebt?

Eppelmann: Zusammen mit mehreren tausend Menschen, die sangen und mit Fähnchen winkten. Der Papst hat eine kurze Ansprache in fünf Sprachen gehalten und einzelne Gruppen besonders begrüßt. Im Anschluss hatte ich dann die Möglichkeit zur persönlichen Begegnung. Der Papst ist ja ein körperlich gebrechlicher Mensch. Aber in dem Augenblick, als ich ihm davon erzählte, dass ich DDR-Bürger und Bürgerrechtler war und dass ich ihm für das danke, was er getan hat, hat er mir besonders eindringlich in die Augen gesehen.

Frage: Ein evangelischer Pfarrer dankt dem Papst für seinen Beitrag zu den Veränderungen von 1989/90. Und in Deutschland streiten sich immer mal wieder katholische und evangelische Christen, wer denn die Wende gemacht habe und wer nun davon profitiere. Was ist Ihre Antwort?

Eppelmann: Für mich ist das eindeutig. Es waren die Völker. Alle Einzelpersönlichkeiten, die man nennen könnte, hätten alleine überhaupt nichts erreicht, wenn nicht Polen, Tschechen, DDR-Bürger und andere zu zigtausenden auf die Straße gegangen wären. Zu denen, die sich dann in besonderer Weise Verdienste erworben haben, gehören Papst Johannes Paul II. und der amerikanische Präsident George Bush, der Vater des jetzigen Präsidenten, dann Michael Gorbatschow und -bezogen auf uns Deutsche -natürlich Helmut Kohl.

Frage: Zurzeit wird eine Änderung des Stasi-Unterlagengesetzes beraten. Welche Position nehmen Sie ein?

Eppelmann: Ich bin zunächst froh darüber, dass immer noch geredet wird -jetzt leider unter einem fürchterlichen zeitlichen Druck durch das nahe Ende der Legislaturperiode. Ich hoffe trotzdem, dass wir zu einer einvernehmlichen Lösung kommen, die von den Regierungsparteien und der CDU/CSU und der FDP mitgetragen wird. Dringenden Handlungsbedarf sehe ich an der Stelle, wo es um die teilweise Vernichtung von Originalakten geht, die nach dem bisherigen Gesetz ab 1. Januar 2003 möglich ist. Hier gibt es -soweit ich das sehe -zwischen den großen Parteien schon Einigkeit, dass das geändert werden muss. Was dann den Umgang mit Opfer- und Täterakten angeht und die Frage, wer letztlich darüber entscheidet, was eventuell auch gegen den Willen des Betroffenen veröffentlicht werden darf, ist momentan noch strittig. Wenn es gar nicht anders geht, könnte ich auch damit leben, dass wir jetzt nur den Passus streichen, der die Aktenvernichtung ab 1. Januar ermöglicht, und die Frage des Umgangs mit den Akten erst nach der Wahl im neuen Bundestag verhandeln.

Frage: Immer wieder einmal gibt es -auch in verschiedenen Medien -die Forderung nach einem Schlussstrich unter das Thema DDR-Geschichte. Ist die Zeit dafür gekommen?

Eppelmann: Wann der Zeitpunkt gekommen ist, haben die Betroffenen zu bestimmen. Solange es Menschen gibt, die dieser DDR etwas vorzuwerfen oder Fragen zu stellen haben, warum damals etwas so und nicht anders gelaufen ist -solange muss die DDR-Geschichte ein Aufarbeitungsthema bleiben. Und solange muss es Medien in Deutschland geben, die bereit sind, sich mit diesem Thema zu befassen. Dieses Thema jetzt aus der öffentlichen Debatte streichen zu wollen, finde ich verantwortungslos und unmenschlich.

Fragen: M. Holluba

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 27 des 52. Jahrgangs (im Jahr 2002).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Donnerstag, 04.07.2002

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