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Zeugnisse christlichen Handelns

Christliche Frauen im Widerstand gegen den Nationalsozialismus - Eine Ausstellung in Erfurt

Unterschiedliche Lebensläufe, gemeinsamer Widerstand: Die Lehrerin Anna Maria Hilfrich (links) und die Journalistin Maria Grollmuß.

Erfurt -Auf dem Lagerhof werden ihnen die Kinder weggenommen. Die Kleinen schreien sich das Herz aus dem Leib, die Mütter schreien vor Verzweiflung. Ein kleiner Junge dreht sich noch einmal um, ehe ihn der Wachsoldat schlägt und mitnimmt -das hat die Mutter noch gesehen, dann verschwindet das Kind für immer vor ihren Augen. Der Vernichtungsapparat kannte keine Gnade. Andersdenkende, Sozialisten, Christen, Juden, Kommunisten -Greise, Frauen, Kinder. Vor niemanden machte er halt.

Die meisten Frauen und Kinder kamen um

Das größte Frauenkonzentrationslager des Nazi-Regimes stand in Ravensbrück, etwa 80 Kilometer nördlich von Berlin. Hier waren etwa 132 000 Frauen und Kinder aus 40 Nationen zusammengepfercht, 90 000 von ihnen haben die Hölle nicht überlebt. Im Oktober 1998 wurde im Zellenbau der Gedenkstätte Ravensbrück von der evangelischen Bischöfin Maria Jepsen und der Berliner Senatspräsidentin a. D., Hanna-Renate Laurien, eine Ausstellung eröffnet, die vor allem den Blick auf die christlichen Frauen im Widerstand und im Widerstehen eröffnet. Seit Beginn des Jahres 2000 wandert diese Ausstellung durch Deutschland. Zurzeit ist sie im Erfurter Rathaus zu sehen. Dargestellt werden Einzelschicksale von Frauen, die sich der Diktatur nicht ergeben haben, die ihrem Gewissen gefolgt waren und denen das Wohl anderer höher stand als das eigene. So unterschiedlich die Lebensbilder der Frauen auch sind -geeint hat sie der Widerstand gegen ein Regime, von dem sie wussten, dass es kein Bestand haben würde.

Oft waren es fadenscheinige Gründe, die die Frauen ins KZ brachten. Zum Beispiel die Lehrerin Anna Maria Hilfrich. Sie wurde am 15. Mai 1889 in Niederselters geboren. Nach einer Lehrerinnenausbildung erhielt sie 1919 eine Stellung an der öffentlichen Volksschule in Siershahn (Unterwesterwald). Als die Nazis an die Macht kamen, weigerte sie sich, das Hitlerbild an einen zentralen Platz im Klassenzimmer zu hängen und die nationalsozialistische Rassenlehre im Unterricht zu vertreten. Aufgefallen war sie den Nazis auch, als ihr Stimmzettel bei der Volksabstimmung über den Anschluss Österreichs am 10. April 1938 leer blieb. Den eigentliche Ausschlag für ihre Verhaftung und Deportation aber gab ihr Engagement für die "Gebets- und Opfergemeinschaft" der Schönstatt-Frauenbewegung, der sie angehörte. Ohne Gerichtsurteil wird sie in das KZ Ravensbrück eingewiesen und arbeitete in den Arbeitskolonnen bei Siemens. Trotz Verbot besuchte sie ihre Freundin aus der Schönstattbewegung, die im Krankenblock im Sterben lag.

Verurteilt wegen Hochverrat

Anna Maria Hilfrich hat das Konzentrationslager überlebt -sie wurde rehabilitiert und später Ehrenbürgerin ihrer Heimatstadt Niederselters. Anders erging es der christlichen Sozialistin Maria Grollmuß. 1896 in Leipzig geboren, wurde sie ebenfalls Lehrerin und studierte später Geschichte, Deutsch und Französisch. Maria Grollmuß arbeitete nach dem Studium im politischen Journalismus, zunächst bei der "Rhein-Mainischen Volkszeitung", dann bei der "Deutschen Republik". Nach der Machtergreifung Hitlers übernahm sie Kurierdienste und leistete Fluchthilfe für ihre politischen Freunde in die Tschechoslowakei. Nach Verurteilung wegen Vorbereitung zum Hochverrat, verbrachte sie insgesamt zehn Jahre ihres Lebens in Haft. Nach einer Operation starb sie am 6. August 1944.

Frauen im Widerstand. Über sie sagt Elisabeth Pregardier, eine der Initiatoren der Ausstellung: "Die Frage, wo Gott gewesen war, bleibt uns auch heute. Die Frauen in Ravensbrück haben nach Antworten gesucht. Manche haben keine gefunden, andere fanden sie in der Dunkelheit der Zelle. Sie sind dort Christus begegnet." Die Biografien bestätigen, dass es christliches Handeln war, das sie ermutigte, weiterzumachen und ein Zeugnis des lebendigen Glaubens zu geben.

Andreas Schuppert

Die Ausstellung
"Christliche Frauen im Widerstehen,
Häftlinge im KZ Ravensbrück 1939 bis 1945"
ist noch bis zum 26. Juli im
Erfurter Rathaus, Fischmarkt 1, zu sehen.
Öffnungszeiten:
Montag bis Freitag: 8 bis 18 Uhr,
Samstag und Sonntag: 10 bis 17 Uhr.

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 28 des 52. Jahrgangs (im Jahr 2002).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Donnerstag, 11.07.2002

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