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Was ist die größte Wohltat ?

Die größte Wohltat, die man dem Menschen erweisen kann, führt vom Irrtum zur Wahrheit.

Pater Damian

Die Antwort auf diese Frage wird sehr verschieden lauten, zum Beispiel einen Menschen vorm Tode retten; sich jemanden in Liebe zuwenden, der einsam und verlassen ist; einem armen Kind zu einer guten Erziehung und Ausbildung verhelfen; einem Verhungernden zu essen geben. Und ich denke hier an die "Werke der Barmherzigkeit", wie sie im Matthäusevangelium genannt werden. Thomas von Aquin (1225 bis 1274), der große Theologe und Lehrer der abendländischen Christenheit, gibt eine überraschend andere Antwort: "Die größte Wohltat, die man einem Menschen erweisen kann, besteht darin, dass man ihn vom Irrtum zur Wahrheit führt". Das klingt zunächst sehr intellektuell und von den Bedürfnissen des Menschen abgehoben. Man könnte dabei an -durchaus auch wohlwollende -Mitmenschen denken, die mit oberlehrerhaftem Eifer keine Gelegenheit auslassen, andere zu belehren und zu korrigieren. Diese Art liegt dem Thomas von Aquin fern. Das ist nicht sein Stil.

Wer in der Wahrheit steht, macht sich nichts vor

Um die Tiefe seiner Aussage auszuloten, müssen wir uns fragen: Was versteht er hier unter "Wahrheit"? Thomas von Aquin geht es um einen allumfassenden Begriff von Wahrheit nicht um die theoretische Übereinstimmung von Denken und Sein. Es geht um den konkreten Menschen: Dass er sein Denken und Tun nach der Wirklichkeit der Dinge ausrichtet, dass heißt des Menschen und der Welt, wie sie sich im Lichte der christlichen Offenbarung darstellen. Wer in der Wahrheit steht, macht sich nichts vor, er flüchtet sich nicht in falsche Ideologien oder in intellektuelle Modeströmungen, die vielleicht gerade "in" sind. Die Wahrheit ist verstanden, wie sie der Evangelist Johannes im Evangelium darstellt: Jesus Christus selbst ist die Wahrheit, der Weg und das Leben. Wer einem Menschen hilft, diese Wahrheit zu finden, der erweist ihm die größte Wohltat. Er hilft ihm, der Wirklichkeit zu begegnen, die ihn frei macht: "Dann werdet ihr die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch befreien" (Joh 8,32). Diese Wahrheit ist wie das Licht, das die Nacht des Irrtums erleuchtet. Es ist ein Licht, das leuchtet und wärmt und tröstet.

Es ist auffallend, dass die Evangelien Jesus als Lehrer darstellen, der den Menschen in Gleichnissen und Geschichten die Wirklichkeit der Welt und Gottes vorstellt: Jesus führt die Menschen in die Wahrheit. Worum es Jesus ging, stellt Markus so dar: "Als Jesus ausstieg, sah er viele Leute. Da ward ihm weh um sie, weil sie wie Schafe waren, die keinen Hirten haben. Und er fing an, sie vieles zu lehren" (Mk 6,34).

Pater Damian Meyer

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 28 des 52. Jahrgangs (im Jahr 2002).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Donnerstag, 11.07.2002

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