Aus der Perspektive der Opfer
Ausstellung über den Jugoslawien-Krieg zeigt Mechanismen der Entstehung militärischer Konflikte
Dresden (tg) -Auf einem Foto ist eine ermordete Familie in ihrem Haus zu sehen, auf einem anderen eine Mutter, die mit ihren Kindern flüchtet, ein weiteres zeigt eine zerstörte Brücke über die Donau. Die Bilder stammen aus Jugoslawien. Aufgenommen sind sie jedoch nicht in den 90er Jahren, sondern 1941. Die Ausstellung der Friedensbibliothek, zugleich Antikriegsmuseum der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg, die jetzt in der Dresdner Kreuzkirche zu sehen ist, zeigt, wie sich manches in der Geschichte wiederholt, wenn auch unter anderen Vorzeichen. Sie drängt dem Betrachter kein fertiges Bild, keine endgültige Interpretation auf. Schon ihr Titel ist eine Frage: "Wo ist die Wahrheit über den Krieg?" Gleichwohl ist ihre Perspektive eindeutig: Es ist die der Opfer.
"Am Beispiel Jugoslawiens werden ein Krieg und seine Folgen betrachtet", erläutert Annemarie Müller, Geschäftsführerin des Ökumenischen Informationszentrums Dresden (ÖIZ), das die Ausstellung nach Dresden geholt hat. Die gliedert sich in vier Teile: der Erste Weltkrieg, der Zweite Weltkrieg, der Zerfall des multi-ethnischen Gebildes, zugleich die Vorgeschichte für den blutigen Jugoslawien-Konflikt, schließlich der Kosovo-Krieg. 25 Tafeln, etwa 30 Meter Ausstellungsfläche, viele Fotos, dazwischen Aussagen von Politikern und Künstlern.
"Hier wird der Mechanismus gezeigt, wie der Nationalismus Anfang der 90er Jahre bewusst geschürt worden ist", sagt Annemarie Müller. Zwischen Fotos von Gebäuden, Denkmalen, Menschen in Trachten bei der Pflege ihrer Bräuche -Zeugen einer vielfarbigen Kultur -findet sich beispielsweise der Satz von Dubravka Ugresic aus dem Jahr 1994: "Um sich die Demontage des so multinationalen, so multikulturellen Landes zu erleichtern, offerierten die großen Manipulatoren und ihre Teams die wirksamste Formel, eine neue Utopie: die Nation." Zwar lägen dieser Nationalkonflikt und die Nato-Intervention im Kosovo einige Zeit zurück, doch die Ausstellung betrachte diesen Krieg als ein Beispiel, betont Annemarie Müller. "Hier wird deutlich, wie Begriffe, wie Bilder im Krieg benutzt werden, was offiziell über den Krieg gesagt wird und wie er wirklich aussieht." Das könnte wieder aktuell werden: Schon gebe es Anzeichen für einen möglichen Angriff der USA auf den Irak.
Das Antikriegsmuseum hatte Ernst Friedrich 1923 in Berlin gegründet. 1933 wurde es von den Nazis zerstört, Friedrich wurde verhaftet und floh später zunächst in die Schweiz, dann nach Belgien. Das Museum erneut aufzubauen, gelang ihm nicht. 1967 starb er. 1982 nahm die brandenburgische Kirche die Idee mit einer Ausstellung auf. Zwei Jahre später wurde das Museum eröffnet. 1985 gründete sich die damit verbundene Friedensbibliothek. Sie ist heute im Berliner Haus der Demokratie und Menschenrechte untergebracht. Das Antikriegsmuseum hat bereits mehr als 1200 Ausstellungen in 14 europäischen Ländern gezeigt, unter anderem zum Ostjudentum, über Anne Frank und zum Thema Kriegsdienstverweigerung.
Öffnungszeiten bis 1. September
täglich 10 bis 18 Uhr
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Donnerstag, 08.08.2002