Wer bin ich ?
Jeder Mensch ist als Geschöpf Gottes einmalig

Man sollte meinen, dass diese Frage für einen Mann meines Alters längst geklärt sein sollte. Ich könnte ja auch genug Angaben über mich selbst machen, könnte meinen Personalausweis vorzeigen und die wichtigsten Daten wie Geburtstag und Geburtsort, Staatsangehörigkeit und gegenwärtige Adresse angeben. Ich könnte über meinen Beruf, über Ausbildung und Arbeitsfelder berichten, über meine Heimat und Herkunft, über meine Familie, meine Freunde und Bekannten, über meinen Lebensstil, meine starken und schwachen Seiten, meine Ängste und Hoffnungen ...
Es kämen eine Menge Daten zusammen, die sich mosaikartig zu einem Bild von mir zusammensetzen ließen. Aber dennoch die Frage: Bin ich das wirklich, oder: Bin ich wirklich so? Ist das nicht das Bild, das ich von mir selbst mache? Oder ist es das Wunschbild, wie ich sein möchte? Und wie sehen andere Menschen mich? Wie die, mit denen ich zusammenarbeite? Wie meine Freunde? Und wie möchte ich in den Augen meiner Mitmenschen dastehen? Recht verwirrend und kompliziert!
Das eine weiß ich: Ich bin als Geschöpf Gottes einmalig. Kein Mensch unter Milliarden ist genauso wie ich. Ich bin keine Kopie, sondern ein Original. Aber das beantwortet meine Frage noch nicht: "Wer bin ich?" Ich glaube, ich kann mir die Antwort auf diese Frage nur von Gott, vom Heiligen Geist geben lassen: "So bezeugt der Geist selber unseren Geist, dass wir Kinder Gottes sind" (Röm 8,16). Das ist also die tiefste Antwort auf die Frage nach unserer Identität: Wir sind die Söhne und Töchter Gottes. Bei unserer Taufe hat Gott uns als seine Kinder angenommen und gesagt. "Du bist mein Sohn / meine Tochter, an dem / der ich mein Wohlgefallen habe".
Besonders in Zeiten äußerster Not und Vereinsamung ist es wichtig, sich seiner Identität zu vergewissern. Als Dietrich Bonhoeffer 1945 im Gefängnis auf seine Hinrichtung wartete, schrieb er: "Wer bin ich? Bin ich das wirklich, was andere von mir sagen? Oder bin ich nur das, was ich selbst von mir weiß? Bin ich heute dieser und morgen ein anderer? Bin ich beides zugleich? Wer bin ich? Einsames Fragen treibt mit mir Spott. Wer ich bin. Du kennst mich, dein bin ich, o Gott".
Pater Damian Meyer
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Donnerstag, 08.08.2002