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Modellfall für eine lebendige Gemeinde

Rothenburger Gemeinde feierte 100-jähriges Kirchweihjubiläum

Zeichen der Anerkennung: Bischof Müller feierte mit den Rothenburgern das Jubiläum.

Rothenburg -"In meinem kleinen Bistum sind kleine Gemeinden der Normalfall", sagt der Görlitzer Bischof Rudolf Müller. Und weil das so ist, gesteht er, "fühle ich mich in solchen Gemeinden besonders wohl" -wie am vergangenen Samstag in Rothenburg. Eigentlich war es sein letzter Urlaubstag, aber der Bischof ließ es sich nicht nehmen, mit den katholischen Christen der östlichsten Pfarrgemeinde Deutschlands das 100-jährige Jubiläum der Weihe ihrer Kirche zu feiern. Pfarrer Prälat Bernd Richter begrüßte dazu neben dem Bischof auch Gäste aus den Nachbarpfarreien, der evangelischen Gemeinde sowie von Stadt und Landkreis.

Mit seinem Besuch wolle er seine Anerkennung gegenüber den Rothenburgern zum Ausdruck bringen. Denn Rothenburg ist für Bischof Müller ein "Modellfall für eine lebendige Gemeinde". Zwar gibt es mit Prälat Richter einen Pfarrer, aber der ist in der Regel nur an den Wochenenden da. Sonst wohnt und arbeitet er in Görlitz. Und Gemeindereferentin Johanna Wendt, die 46 Jahre in der Gemeinde tätig war, ist seit zwei Jahren im Ruhestand. Eine Nachfolgerin gibt es nicht. "Trotzdem oder vielleicht gerade deshalb ist die Gemeinde besonders aktiv", lobt der Bischof.

Woran das liegt? Eine Antwort darauf ist nicht leicht zu finden. "Man braucht Leute, die sich verantwortlich fühlen und die die Sache in die Hand nehmen", meint Johanna Wendt. Und die gibt es offenbar. Eine von ihnen ist Ruth Wagenknecht. Für sie hängt die Lebendigkeit der Gemeinde vor allem mit dem zu DDR-Zeiten gewachsenen Gefühl der Zusammengehörigkeit zusammen. Maßgeblichen Anteil daran habe Richters Vorgänger als Pfarrer, Albert Langer. Er war von 1939 bis zu seinem Tod 1980 Pfarrer und hat das Gemeindeleben geprägt. Gerade die Auseinandersetzung mit den DDR-Mächtigen führte dazu, dass die kleine Pfarrgemeinschaft eng zusammenhielt. Und in der Auseinandersetzung mit den Machthabern hatte der Pfarrer auch immer den richtigen Rat für die Gemeindeglieder, etwa wenn es um die Teilnahme an der Jugendweihe ging, erinnert sich Frau Wagenknecht bis heute dankbar.

Ob dieser Zusammenhalt auch künftig bleibt?

Der Zusammenhalt hat sich auch unter den veränderten Bedingungen erhalten. Für Wolfgang Richter vom Kirchenvorstand ist das schon ein Phänomen. Damit eine Gemeinde lebendig bleibt, müsse man sich auf die Leute verlassen können, die am Sonntag zur Kirche kommen, ist seine Erfahrung. Und das klappt -angefangen von der Kirchenreinigung über die Organisation der Jubiläumsfeier bis zur Sorge um den baulichen Erhalt von Kirche und Pfarrhaus. Ob das künftig so bleiben wird? Hier ist Wolfgang Richter skeptisch: Zwar gibt es in der Gemeinde Kinder und Jugendliche, ob sie aber angesichts der wirtschaftlichen Situation in der Region bleiben, ist fraglich. "Aussterben wird die Gemeinde nicht, aber es wird schwieriger."

Das ist für die Rothenburger nicht neu. Schwierigkeiten gab es in ihrer Geschichte öfter. Und um sie zu überwinden waren sie häufig auf eigenes Engagement angewiesen. Eine erste katholische Kirche in der Stadt ist im Jahr 1346 erwähnt. Nach der Reformation dauerte es -wie in vielen Teilen der Oberlausitz bis zur Industrialisierung, in deren Zuge wieder Katholiken in die Region kamen.

Um 1850 waren es in Rothenburg und den benachbarten Orten etwa 50. Zum Gottesdienst mussten sie in das 20 Kilometer entfernte, im heutigen Polen gelegenen Priebus oder nach Görlitz, 25 Kilometer entfernt. Deshalb wurde 1853 in der Nähe von Rothenburg ein leer stehender Stall zur Kapelle umgebaut. Seelsorger war ein Kaplan aus Priebus. Als dieser in das 45 Kilometer entfernte Bad Muskau wechselte, betreute er Rothenburg weiter. Weil sich der Muskauer Seelsorgebezirk aber stark entwickelte, wurde die Betreuung wieder von Priebus übernommen. Eine beschwerliche Arbeit für den Pfarrer, denn nur ein "sandiger und verfahrener Waldweg" führte nach Rothenburg, berichtet die Chronik.

Jubiläen erinnern an die erwiesene Treue

Bis 1899 fanden die Gottesdienste in dem zur Kapelle umgebauten Stall statt. Dann wurde das Gebäude gekündigt. Die Gemeinde wich auf den Gasthaussaal aus und bemühte sich um den Bau einer eigenen Kirche. 1902 war es soweit und die Rothenburger feierten die Weihe ihrer kleinen neugotischen Hallenkirche. Der Bau war nur möglich geworden durch die finanzielle Hilfe des Bonifatiuswerkes der Diözese Breslau. Der damalige Bischof, Kardinal Georg Kopp, hatte sogar zu einer eigenen Kollekte aufgerufen. Das Grundstück am Stadtrand hatte ein einheimischer Gerichtssekretär erworben und der Gemeinde geschenkt. Einen eigenen Seelsorger erhielt Rothenburg erst 1918. Aufgrund der großen körperlichen Anforderungen, die die ausgedehnte Pfarrei stellte, wechselten die Geistlichen oft. Innerhalb von 20 Jahren taten fünf Pfarrer ihren Dienst. Erst mit Albert Langer kam ein Pfarrer, der über 40 Jahre blieb.

Jubiläen seien Alterserscheinungen, meinte Prälat Richter zu Beginn des Festgottesdienstes. Das sei aber nichts Negatives, denn Jubiläen helfen sich an die in dieser Zeit erwiesene Treue zu erinnern. Und auf diesem Hintergrund nannte Bischof Müller in der Predigt die drei eigentlichen, die inneren Gründe zur Dankbarkeit: Eine Gemeinde sei dazu da, Gott zu ehren, ihn zu lieben und ihm zu gehorchen. Das haben die Rothenburger getan. Ihr Kirchbau mit seinem Turm und den Glocken sei ein äußeres Zeichen für alle, dass es hier Menschen gibt, die an Gott glauben, nicht weil sie verrückt sind, sondern weil sie Verantwortung tragen stellvertretend für die ganze Stadt.

Matthias Holluba

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 33 des 52. Jahrgangs (im Jahr 2002).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Donnerstag, 15.08.2002

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