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Auf zwei Minuten

Der Kuckuck auf der Antenne

Gott spricht jeden Menschen persönlich an, so wie er mit Mose gesprochen hat

Pater Damian

Es war an einem schönen Maimorgen in meinem norddeutschen Heimatdorf. Ich ging durch den Garten, um noch einmal die Sonntagspredigt zu überdenken, die ich zu halten hatte. Da beobachtete ich einen Kuckuck, der auf der Fernsehantenne eines Bauernhauses saß und munter seinen Ruf erschallen ließ. Ich hatte als Thema der Predigt gewählt: Das Sakrament der Taufe und seine Bedeutung für uns.

Der Kuckuck brachte mich auf ein anderes Thema, das ich dann mit Begeisterung der Gemeinde vorgetragen habe: "Die unmittelbare Begegnung". Ich sprach über das Gespräch, die Begegnung mit Menschen von Angesicht zu Angesicht, über das persönliche Gebet als Gespräch mit Gott, über das Erlebnis der Natur aus eigener Beobachtung.

Schau nicht nur in den Fernseher, schau dir das Leben an

Wir sind im Medienzeitalter verwöhnt mit perfekter Kommunikation durch Telefon und Internet über große Entfernungen hinweg. Das Fernsehen liefert uns neben Horrorgeschichten auch die Wunder der Tierwelt oder schöne Landschaften ins Haus. Das ist großartig und bereichernd. Aber kann das die unmittelbare Begegnung ersetzen? Der Kuckuck scheint uns spöttisch daran zu erinnern: Schaut nicht nur in die Glotze! Geht selbst hinaus und schaut euch die Blumen an, hört den Gesang der Nachtigall und das ganze Konzert der Singvögel!

Auch in unserem Verhältnis zu Gott muss es diese Nähe, die Erfahrung "aus erster Hand" geben. So wichtig und unaufgebbar die liturgische Feier des Gemeinde ist, auch sie muss eingebettet sein in das ganz persönliche Gespräch mit Gott "von Angesicht zu Angesicht". Gott spricht jeden Menschen persönlich an, so wie er mit Mose gesprochen hat: "Mit ihm rede ich von Mund zu Mund, von Angesicht zu Angesicht!" (Num 12,8). Das Studium der Bibel und der systematischen Theologie kann eine notwendige Vorbereitung für die Begegnung sein und manche Hindernisse und Schwierigkeiten im Vorfeld wegräumen. Die Erfahrung Gottes im Glauben und das persönliche Gebet sind dadurch nicht ersetzbar. Wie der Ruf des Kuckucks und der Gesang der anderen Vögel in uns Freude wecken kann, weil er uns im Gemüt und Herzen anspricht, so ist auch die Begegnung mit Gott eine Herzensangelegenheit: "Das Wort ist dir nahe, es ist in deinem Mund und in deinem Herzen. Gemeint ist das Wort des Glaubens, das wir verkündigen. Wer mit dem Herzen glaubt und mit dem Mund bekennt, wird Gerechtigkeit und Heil erlangen" (Röm 10,8-10).

Pater Damian Meyer

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 33 des 52. Jahrgangs (im Jahr 2002).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Donnerstag, 15.08.2002

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