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Sintflutartige Vorboten des Klimawandels

Sintflutartige Vorboten des Klimawandels Weltgipfel in Johannesburg zur nachhaltigen Entwicklung /

Aachen/Stuttgart - "Die Klimakatastrophe kommt näher", titelte jetzt die Süddeutsche Zeitung. Wenn sich auch nicht einzelne Ereignisse auf die Erderwärmung zurückführen lassen, so sehen Klimaforscher in der Zunahme heftiger Unwetter im Sommer doch Anzeichen eines Klimawandels. Mit einem Mal steigt mit den Fluten wie in Sachsen, Österreich, der Tschechei und Russland auch das Interesse am bevorstehenden Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung. Vom 26. August bis 4. September wollen in Johannesburg die Staats- und Regierungschefs Bilanz ziehen, inwieweit die Ergebnisse des Gipfels von Rio von 1992 umgesetzt wurden.

Brief an den Kanzler

Mit großformatigen Zeitungsanzeigen versuchen in diesen Tagen Hilfswerke wie Misereor, terre des hommes und der Evangelische Entwicklungsdienst Regierung und Öffentlichkeit aufzurütteln. Deutschland, so heißt es in einem offenen Brief an Bundeskanzler Schröder, solle in Johannesburg ein Zeichen setzen und bis zum Jahr 2015 den Anteil erneuerbarer Energien am Stromverbrauch von 6 auf 25 Prozent erhöhen. Bis 2020 solle der Ausstoß von Treibhausgasen um 40 Prozent gegenüber 1990 verringert werden. Zugleich solle Deutschland bis zum Jahr 2010 den Anteil an Entwicklungshilfe am Bruttosozialprodukt von 0,27 auf 0,7 Prozent erhöhen. Ein Scheitern des Gipfels wäre "ein verheerendes Signal", dass die Menschen die dringendsten Probleme nicht lösen könnten.

Für den renommierten Naturwissenschaftler Ernst Ulrich von Weizsäcker bedeutete ein Scheitern des Gipfels einen "bösen Sieg der Ellenbogenmentalität der puren Marktideologen". Der langjährige Präsident des Wuppertaler Instituts für Klima, Umwelt und Energie hat im Auftrag der Vereinten Nationen gemeinsam mit dem UN-Generalsekretär den Gipfel vorbereitet. Von Weizsäcker, der auch Mitglied des "Club of Rome" ist, hofft für den Fall des Scheiterns auf "einen Aufschrei der Empörung all derer, die sich jetzt noch zurücklehnen, weil sie gar nicht wissen, dass da Wichtiges verhandelt wird".

Konkret hält der SPD-Politiker, der als Mitglied der Bundestags-Delegation in Johannesburg teilnehmen wird, unter anderem internationale Regeln und privatwirtschaftlich-staatliche Vereinbarungen zur "Verbesserung der Wasserversorgung", Sicherung der Entwicklungsfinanzierung und eine institutionelle Stärkung der UNO in Umweltfragen für möglich. Wie wichtig allein der Punkt der Wasserversorgung ist, machte zuvor schon der Chef des UN-Umweltprogramms, der frühere CDU-Umweltminister Klaus Töpfer, deutlich. Täglich sterben seinen Angaben zufolge 6000 Menschen, vornehmlich Kinder, an wasserbedingten Krankheiten.

Kapital im globalen Kampf

Warum sich die Hoffnungen des Erdgipfels von Rio nicht erfüllten, begründet von Weizsäcker mit dem kurz darauf losbrechenden "Sturm der Globalisierung". Befreit von den Manschetten des Systemwettbewerbs habe das international mobile Kapital einen Standortwettbewerb "aller gegen alle Staaten und aller gegen alle (branchengleichen) Firmen" entzündet. Finanzielle Spielräume bei Staaten und Firmen seien drastisch geschrumpft, "Umwelt, Nachhaltigkeit auf einmal als Luxus angesehen" worden. Wenn Johannesburg diesen Zusammenhang klar mache, dann sei "auch ein materiell mageres Konferenzergebnis kein Fiasko", so von Weizsäcker.

Misereor-Hauptgeschäftsführer Josef Sayer will die im Kanzlerbrief genannten Eckpunkte auch als Forderung an die anderen am Weltgipfel Beteiligten verstanden wissen. Die aktuellen Hochwasserkatastrophen machten klar, dass möglichst bald und zügig gehandelt werden müsse. Das gelte "auch hinsichtlich der immer größer werdenden Kluft zwischen Arm und Reich und das damit einhergehende Konfliktpotenzial". Sollen konkrete Ergebnisse erreicht werden, dürfe es nicht zu Blockierungen zwischen den Industrie- und den Entwicklungsländern kommen. Der Gipfel biete eine Chance, so Sayer, auf "Blockierer-Staaten wie die USA" Druck auszuüben und deren "unsolidarisches Verhalten an den Pranger der Weltöffentlichkeit" zu stellen. Auf ihrer Konferenz in Venedig fassten im Mai des Jahres die Umweltbeauftragten der europäischen Bischofskonferenzen ihre Erwartungen an den Gipfel zusammen. Sie forderten weltweite Solidarität in der Armutsbekämpfung durch den Schutz von Trinkwasser und fruchtbarem Boden, einen breiten Zugang zu Bildung und gesundheitlicher Versorgung, sowie eine Änderung der Lebens- und Arbeitsstile in den industrialisierten Ländern. Denn ohne diesen Wandel führten "alle technischen Innovationen nicht zu einer Entlastung der Umwelt."

Gerrit Schulte

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 33 des 52. Jahrgangs (im Jahr 2002).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Mittwoch, 14.08.2002

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