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Aus der Region

Mieth kritisiert Ethikrat

Humboldt-Uni Berlin: Gentechnik aus katholischer Sicht

Berlin (tb/tdh) - Aktueller hätte es nicht sein können. Wenige Stunden, nachdem Bundeskanzler Gerhard Schröder am 2. Mai den Nationalen Ethikrat einberufen hatte, wurden an der Berliner Humboldt-Universität die Guardini-Lectures 2001 eröffnet, eine mittlerweile traditionsreiche Vorlesungsreihe am Schnittpunkt zwischen Kirche und Gesellschaft. Thema in diesem Jahr: "Genwelten: An der Grenze des Menschlichen". "Mit der Vorlesungsreihe", so der Berliner Kardinal Georg Sterzinsky während der Eröffnung, "demonstriert die Kirche ihre Fähigkeit, auf die Herausforderungen der Gegenwart zu antworten."

Der diesjährige Referent, der Tübinger Professor für Theologische Ethik, Dietmar Mieth beschäftigt sich im Rahmen der Lectures an vier Abenden mit ethischen Fragen, die es angesichts der neuen Möglichkeiten der Gentechnologie im Blick zu behalten gilt: mit dem Beginn des Lebens eines Menschen, seiner Würde, dem Verhältnis von moralischen Urteilen und verbindlicher Rechtsprechung. Dabei geht nicht zuletzt um die Embryonenforschung, um Selektion behinderten Lebens, um genetische "Verbesserung".

Dass er sein Berliner Engagement als besondere Chance begreift, machte Mieth gleich in seiner Einführungsvorlesung deutlich. Er kritisierte den kurz zuvor berufenen Nationalen Ethikrat. Der Rat stehe in der Gefahr, aufgrund mächtiger Interessen instrumentalisiert zu werden. Zudem sei die Kompetenz einiger Mitglieder anzufragen. Nach den Worten des Tübinger Wissenschaftlers gehe es hier weniger um die Frage, ethische Grundlagen neu zu erarbeiten. Vielmehr stehe eine fundamentale Richtungsentscheidung an. "Wenn in dem neuen Ethikrat viele unterschiedliche Positionen miteinander konkurrieren, ist eine strikte Auslegung des Embryonenschutzgesetzes schwieriger aufrecht zu erhalten", so Mieths Befürchtung. Eine mögliche Konseqenz sei dann, dass wirtschaftlichen Erwägungen bald ein größerer Spielraum eingeräumt werde.

Grundsätzlich wies der Ethiker darauf hin, dass mit der Entzifferung des menschlichen Genoms und der Klonierung von Tieren etwas völlig Neues auf die Menschheit zukomme: "Jetzt spricht man schon auf Partys über Biowissenschaften. Alle fühlen, dass sich etwas Gewaltiges verändert."

Wissenschafts-Staatssekretär Josef Lange betonte, die von Katholischer Studentengemeinde und Katholischer Akademie veranstalteten Guardini-Lectures seien inzwischen eine Institution: "Es gibt wieder eine katholische Stimme an Humboldts Universität." Akademiedirektorin Susanna Schmidt unterstrich, mit der Reihe sei ein Forum in der Hauptstadt entstanden, "auf das die akademische Öffentlichkeit achtet." Für Initiator Thomas Brose von der Studentengemeinde ist das Konzept der "Genwelten" aufgegangen. "Als wir vor über einem Jahr die Reihe planten, konnte keiner ahnen, wie aktuell wir sein würden", so der Bildungsreferent.

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 19 des 51. Jahrgangs (im Jahr 2001).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Donnerstag, 10.05.2001

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