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Gehend über den Glauben reden

Interview mit dem Wechselburger Wallfahrtsseelsorger Pater Sarach

Wenn es draußen wärmer wird, machen sich wieder mehr Menschen gemeinsam auf den Weg zu einer Pilgerstätte. Der Tag des Herrn sprach aus diesem Anlass mit dem Wechselburger Wallfahrtsseelsorger Pater Rupert Sarach.

Frage: 1993 kamen Sie zusammen mit drei weiteren Benediktinern aus dem Kloster Ettal nach Wechselburg. Seither kümmern Sie sich besonders um die Pilger. Was hat sich bei den Wallfahrten zur Wechselburger Stiftskirche während dieser Zeit verändert?

Sarach: Anfang der 90er Jahre haben an den Wallfahrten weniger Menschen teilgenommen als zu DDR-Zeiten, weil viele erst einmal in den Westen reisen wollten. In den letzten Jahren haben wir jedoch wieder eine deutliche Zunahme verspüren dürfen, da es mittlerweile eine ganz neue Anschauung von Wallfahrt gibt. Manchmal meinten die Menschen, Wallfahrt gäbe es nur als Marienwallfahrt. Das Schöne in Wechselburg ist aber, dass die Pilger den Gekreuzigten selber als Ziel haben und sich unter dem Kreuz auch einfinden können mit ihren "Kreuzen". Besonders sinnfällig geworden ist das beim ersten Bistumsjugendtag vor fünf Jahren: Da brachten die Jugendlichen aus den einzelnen Dekanaten jeweils ein selbst gestaltetes Kreuz aus Keramik, Holz oder einem anderen Material mit, an das sie ihre Sorgen und Nöte angebracht hatten.

Frage: Was sind das für Menschen, die wallfahren gehen?

Sarach: Das sind Menschen aller Altersstufen, Kinder wie Erwachsene. Wir haben auch schon evangelische Gemeinden, die zunächst nur eine Ausfahrt mit einer Andacht vorhatten, zu einer Art Wallfahrt eingeladen. Die fanden das richtig gut. Eine Wallfahrt hat zudem eine gewisse Zeichenwirkung nach außen. Wenn Passanten eine Pilgergruppe sehen, machen sie sich Gedanken und fragen die Wallfahrer: "Was macht ihr denn da?" Ich habe schon erlebt, dass sich Menschen, die gerade in der Nähe waren, Pilgern angeschlossen haben, die das letzte Stück durch den Park zur Stiftskirche hinaufgezogen sind.

Frage: Warum wallfahren Menschen überhaupt?

Sarach: Menschen, die eine Wallfahrt mitmachen, möchten gemeinsam einen Weg der Glaubensfindung und der Glaubensvertiefung gehen. Dazu nehmen sie sich etwas Zeit. Sie wollen aus ihrer normalen Umgebung herauskommen und eine neue Glaubenserfahrung machen. Ich denke, man hört zum Beispiel draußen in der Natur das Wort Gottes ganz anders. Man muss erst einmal die eigene Wohnung und den eigenen Schreibtisch verlassen, um nicht durch das Alltägliche abgelenkt zu werden. Dasselbe gilt zum Beispiel auch für Exerzitien.

Frage: Könnten Menschen solche Glaubenserfahrungen nicht auch in einem normalen Sonntagsgottesdienst machen, muss es denn unbedingt eine Wallfahrt sein?

Sarach: Beim Sonntagsgottesdienst stellt sich doch eine gewisse Routine ein. Wir brauchen auch immer wieder außergewöhnliche Erlebnisse, um neue Geisterfahrungen zu machen. Der Heilige Geist ist besonders mit dabei, wenn Christen über den Glauben reden. Eine Messe bietet kaum Möglichkeiten, sich über den Glauben auszutauschen. Wenn Menschen nebeneinander hergehen, trauen sie sich viel eher über eigene Glaubenserfahrungen und -schwierigkeiten zu sprechen, als beispielsweise während einer Diskussion bei Tisch.

Frage: Haben Sie das Gefühl, dass Wallfahrten sich weg von einem religiösen Fest und hin zu einem weltlichen Ereignis entwickeln?

Sarach: Nein, das kann ich nicht feststellen. Leib und Seele gehören bei einer Wallfahrt zusammen. Es ist wichtig, dass die Menschen nachher in gelöster Stimmung zusammen essen. Das Äußerliche sollte allerdings nicht überhand nehmen.

Fragen: Karin Hammermaier

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 19 des 51. Jahrgangs (im Jahr 2001).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Donnerstag, 10.05.2001

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