Die Welt anders sehen
Missionarin auf Zeit in den USA: Theresia Kröckel
Saalfeld -"Cowboy und Indianer" hat sie als Kind nie gespielt und auch keinen Karl-May-Film gesehen. Das hindert Theresia Kröckel aber nicht, nach dem Abitur für ein Jahr in ein Indianer-Reservat der USA zu gehen. Belcourt heißt ihr Reiseziel in North-Dakota, nur wenige Meilen von der kanadischen Grenze entfernt und inmitten des Gebietes der Chippewa-Indianer. "Im Lexikon und Schulatlas war über den Ort nichts zu finden", erzählt Theresia von vergeblichen Versuchen, etwas über Belcourt zu erfahren. Erst im Internet wurde sie fündig. Auf den Fotos einer Website entdeckte sie weite Prärielandschaften, einsame Seen und Wälder und sogar eine Herde Büffel. Eine ungewohnte Umgebung für die 18-jährige Saalfelderin und vielleicht auch ein wenig zu einsam. Aber Theresia Kröckel freut sich auf ihre neue Wirkungsstätte. Am 21. August wurde sie in Belcourt erwartet -als "Missionarin auf Zeit". Knapp 13 000 Indianer sollen im Reservat leben. Ob die Information aus dem Internet stimmt, kann Theresia erst in einigen Wochen wissen. Sicher ist aber, dass sie in Belcourt jeden Tag mit Indianern zu tun haben wird. Zum Beispiel im Religionsunterricht der St. Ann´s Catholic School, eine Grundschule mit fünf Klassenstufen. "Ich gebe natürlich keinen Religionsunterricht, aber ich soll den Lehrern dort assistieren", beschreibt sie ihre Aufgabe. Neben dem Unterricht wird sie das Schulleben mitgestalten und bei sozialen Projekten eingesetzt, die die "Society of Our Lady of the Most Holy Trinity" betreibt. Diese katholische Ordensgemeinschaft unterhält die Schule und ist Gastgeberin für die Missionarin auf Zeit aus Deutschland. "Und am Ende meines Aufenthaltes", blickt Theresia weit nach vorn, "gibt es noch ein zweimonatiges Sommerlager mit Kindern und Jugendlichen aus Belcourt."
Ihre Begeisterung ist spürbar. Aber gedenkt sie, auf diese Weise Indianer zu missionieren? In nur einem Jahr? Theresia schüttelt den Kopf. "Nein", sagt sie und lacht, "es geht nicht darum zu missionieren." Missionare auf Zeit wollten in einem fremden Land leben, eine andere Kultur kennen lernen und mit den Menschen dort arbeiten, beten und zusammen sein. "Und wo es geht", ergänzt sie, "auch ein wenig helfen."
Davon werde eher der eigene Glaube beeinflusst und, wie sie hofft, gestärkt. Vielleicht sollte man den Begriff Missionar auf Zeit ändern, der von den Missionsorden herrührt. Aber in den 20 Jahren, seit denen das Programm besteht, hat er sich zu einem Markenzeichen entwickelt, auf das vor allem zurückgekehrte Missionare nicht verzichten wollen.
Theresia musste sich auf ihren Auslandsaufenthalt gut vorbereiten. Gemeinsam mit anderen jungen Leuten besuchte sie Wochenendkurse und ein 14-tägiges Blockseminar bei den Pallottinerinnen und Pallottinern. Die beiden Ordensgemeinschaften verantworten gemeinsam ein Programm für Missionare auf Zeit. Der Tipp, sich bei ihnen zu bewerben, stammt von Theresias Onkel Dieter Tippelt. Der leitet in Saalfeld das Freiwilligenzentrum des Caritasverbandes Südthüringen und verfügt so über die nötigen Adressen und Kontakte. "In den Seminaren haben wir über alles offen gesprochen, über Organisatorisches, einen möglichen Kulturschock, wie man sich im Land verhält und was alles passieren kann."
Theresia könnte noch mehr aufzählen, was von den Dozenten alles vermittelt worden ist. Die Seminare waren intensiv, aber nicht anstrengend und "schon gar nicht wie Schule", betont Theresia. Ihr hat besonders gefallen, dass auch ehemalige Missionare auf Zeit dabei waren. "Die konnten erzählen, wie es ist, wenn man zurück kommt." Das sei hilfreich gewesen, findet sie. Vor der Rückkehr gibt es aber erst einmal die Hinreise.
Theresia ist froh, dass es geklappt hat. Als 18-Jährige ist sie für viele Projekte,die sie mit den Pallottinern geprüft hat, noch zu jung. So geht es jetzt in die USA und nicht nach Australien, das auf ihrer Hitliste ganz oben stand. Zweimal 30 Kilogramm Gepäck darf sie mitnehmen. Ihre Gitarre ist "selbstverständlich" mit dabei, auch das Tagebuch, denn Theresia soll wie alle Zeit-Missionare Rundbriefe in die Heimat schicken. Den Flug muss sie selbst bezahlen, finanzielle Hilfe gibt es vom Bistum Erfurt und einem Unterstützerkreis, den Theresia selbst aufgebaut hat; die Ordensgemeinschaft in Belcourt trägt den USA-Aufenthalt.
Der Abschied von ihrer Familie und ihren Freunden fällt nicht leicht. "Ich habe aber für alle Fälle kleine Erinnerungsstücke dabei", macht sich Theresia Mut. Spannung und Freude sind jedoch vorherrschende Stimmungen. Besser Englisch sprechen wird sie nach den zwöf Monaten - das sei gut fürs Studium, sagt sie. Dann werde sie sich auch sicherer sein, ob sie in Richtung Soziales oder Medienwissenschaft studieren wolle. Und was gibt es noch zu sagen? Theresia überlegt eine Weile: "Ich werde die Welt wohl mit anderen Augen sehen."
Peter Weidemann
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Donnerstag, 22.08.2002