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Bistum Görlitz

Manchmal ergeben sich gute Gespräche

Das Jugendhaus der Pfarrei Hoyerswerda

Hoyerswerda (ep) -Christian ist 18 und ohne Lehrstelle. Fast täglich kommt er ins Jugendhaus "Offene Tür" in Hoyerswerda. "Ich treffe hier Kumpels, wir sitzen zusammen, erzählen, rauchen oder spielen Volleyball. Und wenn wir mal ein bisschen laut sind, kommt hier wenigstens nicht gleich die Polizei." Auch Sebastian (18) kommt in den katholischen Jugendtreff im riesigen Altneubaugebiet von Hoyerswerda, um seine Freunde zu sehen. Auch er ist ohne Lehrstelle. Wenn es nach seinen Vorstellungen ginge, würde er gern eine Ausbildung zum Maler oder besser noch zum Schlosser beginnen. Doch die Lehrbetriebe verlangen einen Zehnte-Klasse-Abschluss. Und den hat er nicht.

"Ein Großteil der 50 Jugendlichen, die sich bei uns aufhalten, ist ohne Ausbildungsplatz", sagt die Leiterin des offenen Jugendtreffs, Elvira Kämpfer. "Etliche haben ein Berufsvorbereitungsjahr hinter sich -damit den Neunte-Klasse-Hauptschulabschluss -und dennoch Probleme, eine Lehrstelle zu finden. Ich hoffe, dass wenigstens ein Teil der jungen Leute durch ein gerade aufgelegtes überbetriebliches Ausbildungsprogramm noch eine Stelle bekommt", so die Diplomsozialpädagogin. Die Chance, anschließend einen Arbeitsplatz zu finden, sei jedoch gering. Das wüssten die Jugendlichen und nähmen ihre Situation dennoch recht sorglos hin.

Vier der betroffenen Jugendlichen, drei Jungen und ein Mädchen, haben nun im Rahmen eines Förderprojektes im Jugendtreff für ein halbes Jahr eine Anstellung erhalten und sind darüber sehr froh. Vor wenigen Tagen haben sie die Arbeit aufgenommen. Sie sollen helfen, das Grundstück des katholischen Jugendhauses zu sanieren und landschaftsgärtnerisch zu gestalten. Inzwischen haben sie schon einiges geschafft: Sträucher rausgerissen, den Zaun gestrichen, einen Kompost angelegt und Rasen gesät. Das Geld für das Projekt stammt von der Aktion "Brücke" aus dem Bistum Essen. "Das Projekt bietet den jungen Leuten eine Übergangszeit, sich im Blick auf eine Berufsausbildung zu orientieren", sagt Frau Kämpfer. Zugleich hoffen sie und ihre Kolleginnen Peggy von Oertzen und Andrea Bringmann, dass die jungen Leute das, was sie mit eigener Arbeit schaffen, besser schätzen werden.

Den vielen anderen Jugendlichen bieten Elvira Kämpfer und ihre Mitarbeiterinnen auf andere Weise Unterstützung an: Sie helfen ihnen, Bewerbungen zu schreiben, und begleiten sie beim Gang zum Jugend- oder Arbeitsamt. Eine junge Frau mit ihrem Baby und ihr Freund, die die Wohnungsmiete nicht mehr zahlen konnten, hat Frau Kämpfer durch ihren Einsatz vor dem Verlust ihrer Wohnung bewahrt. Nicht zuletzt um den Treff bekannt zu machen, bieten die Sozialpädagogin und ihr Team Schulklassen an, im Jugendhaus Projekttage durchzuführen, mit gutem Erfolg. Gern erinnert sich Elvira Kämpfer zum Beispiel an ein Projekt zum Thema "Mittelalter". Auch ein pädagogischer Tag mit den Lehrern einer Schule fand schon im Jugendtreff statt. Zudem bieten Elvira Kämpfer und Peggy von Oertzen in der Pfarrei Themenabende über Alkohol und Drogen an.

Im Jugendtreff bestehen vielfältige Freizeitangebote. Es gibt einen Billardtisch, Fußballkicker und eine Mini-Bowlingbahn. Das Volleyballfeld haben Jugendliche im vergangenen Jahr selbst hergerichtet. Eine großzügige Küche bietet Platz, gemeinsam zu kochen und zu backen. Und auch ein Kreativraum fehlt nicht. Zudem haben die Jugendlichen die Möglichkeit, im Haus ihren Geburtstag mit einer Disko zu feiern.

Entstanden ist der Jugendtreff "Offene Tür" 1993 als eine Antwort auf die rechtsextremistischen Vorfälle in Hoyerswerda. Zunächst war der Treff sechs Jahre in einer Drei-Raum-Wohnung untergebracht. 1999 konnte die Einrichtung in eine solide umgestaltete ehemalige Kindertagesstätte umziehen, wo sehr gute Voraussetzungen bestehen. Das wissen auch die Jugendlichen zu schätzen. "Hier ist es immer sauber. Hier fühlen wir uns wohl", sagt Christian. Träger des Jugendtreffs ist die katholische Pfarrgemeinde "Zur heiligen Familie". Immerhin zehn Prozent der laufenden Kosten trägt die Kirche, die anderen Gelder kommen aus öffentlichen Mitteln.

"Spielten in früheren Jahren politische Ausrichtungen bei den Jugendlichen durchaus eine Rolle, so wollen die Jungen und Mädchen heute bei uns vor allem ihre oft schwierige Situation in Familie, Schule und im Blick auf die Berufsausbildung hinter sich lassen", beobachtet Frau Kämpfer. "Dabei macht uns der Alkohol- und Drogenmissbrauch große Sorgen." Den jungen Leuten wirklich in ihrer Lage zu helfen, sei nicht leicht, so die Sozialpädagogin. Neben der Arbeitslosigkeit der Eltern und familiären Problemen sieht Frau Kämpfer auch im Schulsystem eine Ursache dafür, dass viele Jugendliche den Anschluss verlieren: "Die Klassen werden zu zeitig zerrissen, die Schwächeren bleiben zurück und unter sich, während die Leistungsstarken ab der fünften Klasse ins Gymnasium gehen."

Im Jugendhaus laufe vieles spontan. "Man muss immer einen Rucksack mit Ideen dabei haben", ob die Jugendlichen dann mitziehen, sei vorher nicht zu sagen. "Manchmal allerdings ergeben sich richtig gute Gespräche über Leben und Tod, nach dem 11. September zum Beispiel und nach dem Amoklauf von Erfurt über Gewalt. Aber zu machen sind solche Gespräche nicht", sagt Elvira Kämpfer.

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 0 des 52. Jahrgangs (im Jahr 2002).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Donnerstag, 29.08.2002

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