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Bistum Erfurt

Öffnet mir die Tore zur Gerechtigkeit

Jüdisch-christliche Gemeinschaftsfeier zum 50. Jahrestag der Neuen Erfurter Synagoge

Während der Gemeinschaftsfeier im Erfurter Dom.

Erfurt (bip / as) -"Öffnet mir die Tore zur Gerechtigkeit" steht auf Hebräisch über dem Eingang der Erfurter Synagoge am Juri- Gagarin-Ring. Der Vers aus dem 118. Psalm war auch das Leitwort einer christlich-jüdischen Gemeinschaftsfeier, mit der die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Erfurt und die Jüdische Landesgemeinde am 29. August im Dom an die Einweihung der neuen jüdischen Synagoge vor 50 Jahren erinnerte.

Zwischen Dom und Synagoge besteht in Erfurt eine besondere Beziehung. Der damalige Dompropst und spätere Weihbischof Joseph Freusberg hatte vermutlich im Dom zwei Thora-Rollen aus der Synagoge versteckt, die die so genannte "Reichskristallnacht" am 9. und 10. November 1938 unversehrt überstanden hatten. In der jetzigen Synagoge, die anstelle des von den Nationalsozialisten niedergebrannten Gotteshauses erbaut wurde, werden diese Rollen noch heute aufbewahrt. Thora-Rollen sind handgeschriebene Pergamentrollen mit dem Text der Thora, der ersten fünf Bücher des Alten Testamentes. "Sie sind die Seele und das Herz des Judentums", erläutert der Dortmunder Landesrabbiner und Bundesvorsitzende der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit, Henry G. Brandt. Thora-Rollen seien das schönste Geschenk, das man einer jüdischen Gemeinde machen könne. Die Thora wird in den Synagogengottesdiensten abschnittweise vorgelesen. Ihrem Stellenwert als heiliger Schrift entspricht die Aufbewahrung in einem kostbaren Thora-Schrein. Während der Reichskristallnacht, bei der SA- und NSDAP-Mitglieder die Synagogen in Brand setzten, wurden unzählige Thora-Rollen ein Opfer der Flammen. Dass es wie in Erfurt gelang, Rollen zu retten und über den Krieg hinaus zu bewahren, dürfte eher die Ausnahme gewesen sein. "Aus verständlichen Gründen gibt es keine Berichte darüber, wie und wo die Thora- Rollen aufbewahrt wurden", erinnerte Domkapitular Hans-Andreas Egenolf an die Rettungstat Freusbergs. Man werde es wohl auch nie erfahren. Nur spärliche Zeugnisse nach dem Krieg lassen das Wirken Freusbergs aufscheinen. Beim Tod des Weihbischofs zum Beispiel bedankte sich die Jüdische Gemeinde Erfurts für das "große, heilige Werk", das er an ihr getan hat.

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 36 des 52. Jahrgangs (im Jahr 2002).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Freitag, 06.09.2002

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