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Bistum Erfurt

Christliche Ethiker uneins

Kirchen in Erfurt luden zu Informationsabend für Politiker

Erfurt (pw) - Antworten auf bioethische Fragen fallen nicht leicht. Und die Diskussion in Deutschland um die Gewinnung von Stammzellen aus Embryonen zeigt, dass die Antworten sehr unterschiedlich, ja einander widersprechend sein können. Welche Standpunkte die Kirchen in der Bioethik einnehmen, sollte eine gemeinsame Veranstaltung des Katholischen und Evangelischen Büros im Erfurter Augustinerkloster zeigen. Zum Thema "Keine Angst vor Ethik - kirchliche Standpunkte zu bioethischen Fragen" waren Vertreter der Thüringer Landesregierung und Abgeordnete aller Fraktionen des Landtages eingeladen. Josef Römelt, Moraltheologe an der Theologischen Fakultät Erfurt, ermutigte die Politiker, keine Angst vor Ethik zu haben. Allerdings sei Ethik keine Angelegenheit für Mehrheitsentscheidungen. Ethische Entscheidungen bedürften einer gewissenhaften Prüfung. Es gelte dabei Standards zu finden, die Bestand haben. Für die katholische Kirche sei die Unverfügbarkeit des menschlichen Lebens von Anfang an eine oberste Norm und nicht hinterfragbarer Bestandteil der Menschenwürde. Schließlich könne sich der Mensch nicht selber schaffen, er sei ein Geschenk Gottes und bleibe immer auf diese größere Wirklichkeit verwiesen, argumentierte Römelt schöpfungstheologisch. Aus der Unverfügbarkeit des menschlichen Lebens ergeben sich für Römelt Tabus in Forschung und Politik. Nicht alles, was technisch und politisch möglich scheint, darf demnach auch durchgeführt werden.

Ganz anders argumentierte dagegen der evangelische Theologe Reiner Anselm aus Jena, der offensichtlich von der Stellungnahme der Evangelisch Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD) abwich. Ihm wurde selbst von evangelischen Teilnehmern heftig widersprochen. Auch für Anselm kann die Menschenwürde nicht aberkannt werden. Sie ist ein absoluter Wert. Aber: Sie gilt nicht von vornherein, sondern wird von einer "Anerkennungsgemeinschaft" jeweils zugeschrieben. So lässt sich nach Anselm beispielsweise nicht jede befruchtete Eizelle als unverfügbares menschliches Leben bezeichnen. Nämlich dann nicht, wenn die Anerkennung durch die Eltem als Anerkennungsgemeinschaft fehlt - weil sie eine Erbkrankheit befürchten und daher ein "gespaltenes Verhältnis" zur befruchteten Eizelle haben. Für Anselm gibt es daher kein grundsätzliches Nein zur Präimplantationsdiagnostik, die zur Selektion von Embryonen führt.

Teilnehmer befürchteten, dass durch Anselms Ansatz der Beliebigkeit Tor und Tür geöffnet werde. Damit würde Leben verfügbar. Zu fragen bleibt sicher auch, wer eine Anerkennungsgemeinschaft bildet und nach welchen Kriterien die Menschenwürde zuerkannt werden soll. Freilich widerspricht die katholische Kirche schon Anselms Basisthese: In katholischer Sicht ist die Menschenwürde vorgegeben und hängt nicht von der Zustimmung anderer Menschen ab.

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 19 des 51. Jahrgangs (im Jahr 2001).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Donnerstag, 10.05.2001

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