Mehr Kraft in die Jugendarbeit stecken
Algermissen zieht Konsequenzen aus ausländerfeindlichen Übergriffen
Algermissen (ed/nov) -Mit einem Mal ist das kleine Algermissen in aller Munde. Ein "katholisches Dorf", so hieß es überregional in vielen Medien über die 5123 Einwohner zählende Ortschaft bei Hildesheim, habe gegen Ausländer mobil gemacht. Hintergrund: Am Rande des Algermissener Volksfestes hatte nach Polizeiangaben in der vergangenen Woche eine kleine Gruppe bis zu 50 Personen in Gang gesetzt, um gegen ein Asylbewerberheim vorzurücken, in dem 18 junge Tamilen untergebracht waren. "Wir bedauern, was geschehen ist und verurteilen diesen Akt von Ausländerfeindlichkeit aufs Schärfste", sagte Gemeinde-bürgermeisterin Ursula Ernst.
Im Sonntagsgottesdienst griff auch der katholische Pfarrer der 3000 Seelen zählenden St. Matthäus Gemeinde, Peter-Ulrich Biehl, das Thema auf. Er verurteilte die fremdenfeindlichen Aktionen und wies darauf hin, dass am kommenden Sonntag Gäste aus Bolivien den Gottesdienst mitgestalten würden. "Es kann wohl kaum ein besseres Zeichen dafür geben, dass man in Algermissen Ausländer willkommen heißt. Wir haben immer wieder ausländische Gruppen hier bei uns zu Gast und immer werden sie mit offenen Armen aufgenommen." Es sei sehr schade, wenn durch die Aktion einer kleinen Gruppe, die weltoffene Einstellung eines ganzen Dorfes zerstört würde. Biehl richtete eine Bitte an die Medien: "Vielleicht kann ja in der nächsten Zeit auch einmal über die ausländerfreundlichen Aktionen in unserem Dorf berichtet werden!"
Der Tat soll die sexuelle Belästigung einer Algermissener Jugendlichen vorangegangen sein, an der mehrere der Asylbewerber beteiligt gewesen sein sollen. "Das eigentliche Motiv der Tat war nach unseren Erkenntnissen allerdings Fremdenfeindlichkeit", sagte Christian Zahel, Chef der Kripo Hildesheim. Beim Kern der Tätergruppe handele es sich um wenige Einzelpersonen, die dem rechten Spektrum zuzuordnen seien. Gemeindedirektor Fred Faubel warnte im Zusammenhang mit der Berichterstattung davor, Algermissen als braunen Ort einzustufen: "Algermissen ist nicht rechtsradikal." Dies konnte auch Zahel bestätigen. Er versicherte: "Rechte Strukturen gibt es in der Gemeinde nicht."
Aufgrund der Vorfälle luden Bürgermeisterin und Gemeindedirektor Vertreter aus Politik, Verbänden, Vereinen und Kirchen zu einem "Runden Tisch" ein. Einstimmig wurden die Übergriffe auf das Asylbewerberheim und der Versuch von Selbstjustiz verurteilt. Die Justiz müsse hier mit harter Hand durchgreifen. Unabhängig davon müsse aber auch dem Vorwurf der sexuellen Belästigung nachgegangen werden.
Im Verlauf des Gesprächs wurde klar, dass man mehr Kraft in die Prävention besonders bei Jugendlichen stecken müsse. Rechtsextremistischen Kräften müsse das Umfeld entzogen werden. In einer gemeinsamen Resolution wurden die Übergriffe verurteilt und deutlich herausgestrichen, dass Algermissen "weltoffen und tolerant" sei. Nach Auskunft der Gemeindeverwaltung sind derzeit in der Ortschaft Algermissen 179 Ausländer gemeldet. Das entspricht einem Anteil an der Wohnbevölkerung von 3,5 Prozent.
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Donnerstag, 12.09.2002