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Aus der Region

Kein Erfolgszwang

Bischof Wanke zur Bistumswallfahrt

In der Predigt zur Bistumswallfahrt nach Erfurt sagte Bischof Joachim Wanke unter anderem:

…Ausgerechnet in Korinth, der berüchtigten Stadt, hört Paulus in einer Vision die Worte des Herrn: "Rede nur, schweige nicht! Denn ich bin mit dir, niemand wird dir etwas antun. Viel Volk nämlich gehört mir in dieser Stadt" (Apg 18,10). Viel Volk gehört ihm auch in dieser Stadt Erfurt, in unserem Land Thüringen mit seinen Städten und Dörfern. Die Menschen hier wissen es nur noch nicht und können so nicht "den Vater im Himmel preisen" (Mt 5,16).

Ich frage mich manchmal: Warum ist der mächtige Gott so interessiert, dass das armselige Häuflein seiner Gläubigen ihn den Nichtglaubenden bezeugt? Kann er nicht selbst dafür sorgen, dass er gepriesen wird, er, der sich "aus dem Munde der Kinder und Säuglinge Lob schaffen" kann (Ps 8,3)? Ich denke: Gott hat das so eingerichtet um unsretwillen. Damit wir nicht lahm und müde werden, vergesslich und träge! Es gibt die ungläubige Welt, damit wir gläubiger werden. Es gibt die Herausforderung der Ungetauften, damit wir erkennen, wie reich wir beschenkt sind.

Die Evangelisierung der Welt fängt bei uns selbst an -und zwar durch den Mut, mit dem wir selbst uns dem Herrn zuwenden. "Herr -fange bei mir an, mit der Bekehrung, mit der Glaubensfreude, mit dem Wagen und Loslassen, dem Verzeihen- Können und dem Leben aus dem Vertrauen!" Wenn das geschieht, braucht ihr euch keine Sorgen machen, ob ihr Licht und Salz werden könnt. Dann seid ihr es, ohne es zu merken oder gar ausdrücklich zu wollen ...

Lasst mich aus aktuellem Anlass noch dies anfügen: Wir stehen bei diesem Tun nicht unter Erfolgszwang. Bei dem derzeitigen Wahlkampf der Parteien ist das bekanntlich anders. Die armen Wahlkämpfer! ...Sie dürfen sich nicht ausruhen! Die Kurven der Meinungsforschungsinstitute sitzen ihnen im Nacken. Sie sind zum Erfolg verurteilt! Darum: Einsatz bis zum letzten Tag, sonst gibt es Ärger mit der Zentrale.

Ich gebe zu: ...Das Evangelium hat es besser als Parteiprogramme: Es gilt länger als vier Jahre. Vor allem: Es ist nicht auf Mehrheiten angewiesen. Es entfaltet auch dort seine Kraft, wo es Minderheiten leben und glaubwürdig bezeugen. Und zudem gilt: Das Evangelium zielt auf Bekehrung, nicht auf schnellen Applaus. Doch leite ich aus diesem Hinweis auf unsere unermüdlichen Wahlkämpfer auch eine Mahnung an uns als Wähler ab. Meinen wir nicht, ein demokratisches Gemeinwesen lebe nur vom gelegentlichen Wahlgang ...Es lebt davon, dass wir auch zwischen den Wahlgängen verantwortlich leben und handeln.

Das bedeutet beispielsweise, uns trotz der heute so geweiteten Freiheitsräume dennoch an Recht und Gesetz zu halten. Das bedeutet, in Treue zu selbstgewählten Bindungen, etwa in Ehe und Familie zu stehen. Das bedeutet, uns in der Pluralität der Meinungen ein feines Gespür für Wahrhaftigkeit und Aufrichtigkeit zu bewahren und nicht billigen Parolen oder einer Agitation aus dem Bauch heraus aufzusitzen. Das bedeutet, im Suchen des eigenen Nutzens den Mitmenschen nicht zu vergessen. Das bedeutet, Kinder nicht als Schadensfall anzusehen und das Recht der Ungeborenen auf Leben zu achten. Und das bedeutet, uns nicht von Zukunftsängsten umtreiben zu lassen...

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 38 des 52. Jahrgangs (im Jahr 2002).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Donnerstag, 19.09.2002

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