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Aus der Region

Unterhaltung oder Rechtskunde-Nachhilfe?

Kathedralforum Dresden: Diskussion über Gerichtsshows

Dresden (tg) -Sie heißen Alexander Hold oder Barbara Salesch, tragen die Robe und sitzen zu Gericht. Doch nicht in einem Justizgebäude, sondern im Fernsehen. Ob bei SAT 1, RTL oder ZDF, Gerichtsshows bringen hohe Einschaltquoten. Die Sender zeigen sich zufrieden, TV-Kritiker dagegen verziehen das Gesicht, Richter schütteln den Kopf. Nichts als Unterhaltung? Oder vielleicht doch Nachhilfeunterricht in Rechtskunde? Was haben sie mit der Wirklichkeit in den Gerichtssälen zu tun? Beeinflussen sie Entscheidungen von Richtern? Diesen Fragen versuchte eine Podiumsdiskussion des Kathedralforums in Dresden nachzugehen, gemeinsam veranstaltet mit der sächsischen Landesmedienanstalt.

"Show" -diese Bezeichnung hört Gisela Marx nicht gern. Sie sagt "Gerichtssendungen". Was nicht verwundert: Sie ist Geschäftsführerin der Produktionsfirma Filmpool (Köln), Auftragnehmer unter anderem von SAT 1, und bezeichnet sich selbst als Erfinderin dieses Sendeformats in Deutschland. Entwickelt worden sei es "in tiefer Not": "Die Quoten schwanden." Ihr Anliegen: "Ich möchte ein hochattraktives Programm machen, das sich mit meinen journalistischen und ethischen Prinzipien vereinbaren lässt. Wo gibt es ein besseres Koordinatensystem der Werte als in den Gerichten?" Busseweise, so erzählt sie, würden Schüler in das Studio gefahren, wo sie die Produktion der Sendungen verfolgen. Endlich sei Rechtskunde-Unterricht wieder interessant.

Roland Wirlitsch dagegen winkt ab: "Natürlich ist das Show." Er ist Richter am Landgericht Dresden. Die Wirklichkeit sehe anders aus. Die Fälle im Fernsehen würden korrekt gelöst, aber stark vereinfacht. Bei den Zuschauern entstehe ein ungenaues Bild. "Die wenigsten aus der Bevölkerung sind selbst schon mal bei Gericht gewesen." Zu viel Sex, zu viel Gewalt als TV-Verhandlungsgegenstand? Barbara Salesch, Fernseh-Richterin bei SAT 1, weist diese Kritik von Moderator Uwe Kammann, Chefredakteur von "epd/ Medien", zurück. Die Fälle seien sehr abwechslungsreich, alle Altersgruppen fühlten sich angesprochen. Einseitigkeit hingegen herrsche im Gerichtsalltag: "In 80 Prozent der Verfahren geht es um Kaufhausdiebstähle und Schwarzfahren." So etwas sei nicht sendefähig. "Die Zeitungen bringen ja auch nichts über den Alltag, sondern über die interessanten Fälle."

Einen gewissen "pädagogischen Wert" will Konstanze Görres- Ohde, Präsidentin des Oberlandesgerichtes Schleswig, den Sendungen nicht absprechen. Wenn jüngere Zuschauer beispielsweise sähen, wie aufmerksam ein Richter oder eine Richterin da ein Kind anhöre. "Hier wird vermittelt, was die Richterin unter moralisch richtig oder falsch versteht." Und was die Realität angehe: Die sei -bei manchen Verhandlungen vor dem Schwurgericht könne man das erleben - oft weit grauenvoller als das Fernsehen je gezeigt habe. Im Übrigen könne Richtern etwas Öffentlichkeit nur gut tun, die nämlich scheuten sie "wie der Teufel das Weihwasser". Lieber säßen sie im Kämmerlein -"wie in einer geschützten Werkstatt".

Einig waren sich die Diskussionsteilnehmer allerdings über eines: Fernsehkameras sollten bei Gerichtsverhandlungen ausgeschlossen bleiben. Sonst, so Konstanze Görres-Ohde, werde nicht nur das Persönlichkeitsrecht verletzt. "Ich glaube, es findet eine Beeinflussung der Aussagen statt, wenn Kameras auf die Beteiligten gerichtet sind." Prozessberichte könnten auch Richter in ihrer Entscheidung beeinflussen, äußert Roland Wirlitsch. Bei der Fernseh-Berichterstattung werde geschnitten, gibt Barbara Salesch zu bedenken. Gesendet werde am Ende nur die Sensation. "Das können Sie nicht steuern." Gisela Marx sieht es ganz gelassen: "Die Gesetze in Deutschland sind so, dass es auch in den nächsten 50 Jahren keine Kameras im Gerichtssaal geben wird."

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 39 des 52. Jahrgangs (im Jahr 2002).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Donnerstag, 26.09.2002

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