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60 Jahre zwischen Leuchter und Weihrauchfass

Heinz Liebig aus Vetschau ministriert seit 1941

Vetschau - "Das Schönste war für mich immer der Weihrauch", sagt Heinz Liebig und atmet schnell ein paar Mal hintereinander durch die Nase ein, als könnte er den süßlichen Duft aus der Kirche sogar bei sich im Wohnzimmer riechen. Seit 60 Jahren ist der gebürtige Schlesier nun Ministrant.

Zum ersten Mal stand Liebig am Christi-Himmelfahrts-Tag 1941 am Altar. Wie seine Mutter einmal seiner Frau Regina erzählte, muss der Siebenjährige damals so klein gewesen sein, dass er kaum den Leuchter halten konnte. In acht Kirchen hat er seither ministriert, ungefähr 15 verschiedenen Geistlichen die Hostien, das Wasser und den Wein gereicht.

Bis 1945 war er in seiner Heimatstadt Namslau, dem heutigen Namyslów, meist zur Sieben-Uhr-Messe eingeteilt. Dorthin ging er schon vor der Schule - im Winter auch dann, wenn der Schnee einen Meter hoch lag. Zum Aufwärmen diente den Ministranten dann ein Eisenofen in der Sakristei. "Wenn es ganz kalt war, durften wir während der Messe die Hände verschränken und in die Ärmel stecken", erinnert sich Liebig. Der Pfarrer hatte eine Schale mit Glut auf dem Altar stehen, um etwas weniger zu frieren.

"Sich zu behelfen wissen" lautete in den ersten Nachkriegsjahren überhaupt die Devise beim Gottesdienst: Als Ersatz für Weihrauchkörner, die es wegen des Kriegs nicht gab, diente Tannenharz, das auf normale Holzkohlen aus dem Backofen gestreut wurde.

Vieles hat sich in der Folgezeit geändert - nicht zuletzt durch das Zweite Vatikanische Konzil. Liebig schlägt sein altes Gebetbuch aus dem Jahr 1911 auf, fängt an, das Staffelgebet, das Confiteor und das Suscipiat vorzulesen. Dabei kann er die lateinischen Texte noch immer auswendig. Auch jede einzelne Drehung hat er noch intus, die notwendig war, um das Evangeliar nach der Lesung von einer Altarseite auf die andere zu legen, ohne dem Tabernakel den Rücken zuzuwenden.

Heute vermisst Liebig oft die Ehrfurcht bei den Ministranten. Zum Beispiel kann er es nicht haben, wenn sie erst drei Minuten vor Gottesdienstbeginn zum Ankleiden in die Sakristei kommen. Schließlich müsse noch Zeit bleiben, sich geistig auf den Altardienst vorzubereiten.

Liebigs Einsatz in der Pfarrei hat sich aber nie auf den sachgerechten Umgang mit Weihrauchfass, Vortragekreuz und Holzklapper beschränkt. Mitte der 50er Jahre etwa half er als junger Unterstufenlehrer mit, die Kirche Maria Verkündigung in Lübbenau zu errichten. Dazu brachte er - ebenso wie viele andere Jugendliche - mit dem Fahrrad Ziegelsteine zur damals am Ortsrand gelegenen Baustelle. In den 60er Jahren übernahm Liebig die Aufgabe des Lektors. Ebenfalls zu DDR-Zeiten ging er als Kirchensteuerhelfer von Tür zu Tür - eine Tätigkeit, von der sein Schulleiter ebensowenig hätte erfahren dürfen wie von den Adventsliedern, die Liebig vor Weihnachten mit seinen Schülern im Unterricht sang.

1983 begann Liebig - inzwischen gesundheitlich bedingt im vorzeitigen Ruhestand - eine Ausbildung zum Diakonatshelfer. In dieser Funktion leitet er bis heute in Vetschaus katholischer Kirche Wortgottesdienste und Maiandachten, betet mit der Gemeinde den Rosenkranz oder den Kreuzweg.

Bereits viermal wurde Liebig in den Pfarrgemeinderat gewählt. Seit acht Jahren wirkt er zudem als Küster und verwaltet das Pfarrhaus. Beide Aufgaben gibt er aber aus Altersgründen zum 31. Mai ab. Bis Ende vergangenen Jahres organisierte er gemeinsam mit seiner Frau regelmäßig einen Gesprächskreis für Senioren. Das Verfassen eines Testaments war eines der Themen bei diesen Treffen, ein anderes Mal stand ein Besuch in einem Pflegeheim auf dem Programm.

Nach wie vor bringt Liebig alten Menschen die Kommunion ins Haus - zusammen mit den jüngsten Neuigkeiten aus der Gemeinde. Mit einer 93-jährigen Frau singt er gern schlesische Kirchenlieder. Sie sind auch für ihn eine Erinnerung an die Kindheit, ebenso wie das Ministrieren.

Karin Hammermaier

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 19 des 51. Jahrgangs (im Jahr 2001).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Donnerstag, 10.05.2001

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