Damit der Rubel nicht alles überrollt
Sachsen-Anhalt: Ein breites Bündnis für den Sonntag stellte sich der Öffentlichkeit vor

Magdeburg (tdh / epd) -Der Sonn- und Feiertagsschutz darf nicht weiter beschädigt werden -das ist die zentrale Forderung einer neu gegründeten "Interessengemeinschaft Pro Sonntag". Der bundesweit wahrscheinlich einmalige Zusammenschluss hat sich im Rahmen seines ersten Treffens jetzt in Magdeburg der Öffentlichkeit vorgestellt. Die Gründungsmitglieder wollten zeigen, "dass es zahlreiche Menschen gibt, die sich jeweils aus ihren unterschiedlichen Gründen heraus in dem Grundanliegen einig sind", erklärte Stephan Rether, einer der Initiatoren und Leiter des Katholischen Büros Sachsen-Anhalt. Neben dem Katholischen und dem Evangelischen Büro gehören zu "Pro Sonntag" Familien- und Sportverbände sowie Gewerkschaften. Die Breite der Mitglieder mache deutlich: "Viele Menschen in Sachsen-Anhalt, wahrscheinlich die meisten, wollen den Sonnund Feiertag, geschützt und ohne eine Gleichschaltung zu den Werktagen", sagte Rether.
Hintergrund für die Gründung sind zum einen Pläne der Landesregierung, gewerbliche Märkte auch an Sonntagen zu gestatten. Zweiter Anlass ist die Erlaubnis des Landes für kreisfreie Städte und Landkreise, Geschäften die wegen der Flut erweiterten Öffnungszeiten auch über den 30. September hinaus zu gewähren.
Die Aufhebung der Ladenöffnungszeiten im Zusammenhang mit der Flutkatastrophe wurde bei der Vorstellung von "Pro Sonntag" besonders von den Gewerkschaftsvertretern kritisiert. "Erst Deichbruch, dann Rechtsbruch", sagte Helge Harms von der Gewerkschaft Verdi. Er kündigte Klagen von Beschäftigten und Einzelhändlern an. Die Fortsetzung der Sonderregelung über den 30. September hinaus diene rein geschäftlichen Interessen, unterstrich Dr. Jürgen Weißbach vom Deutschen Gewerkschaftsbund Sachsen-Anhalt. Die Last trügen die Verkäuferinnen und Verkäufer. Und den Nutzen hätten nicht die Mittelständler sondern die großen Einkaufszentren. Beide Gewerkschaftsvertreter wandten sich gegen das Arbeitsplätze- Argument. Nach der letzten Änderung des Ladenschlussgesetzes sei die Zahl der Arbeitsplätze in der Branche sogar zurückgegangen.
Familie bald nur noch Wohngemeinschaft?
Die Vertreter der Verbände, die sich insbesondere für die Interessen von Familien, Kindern und Eltern einsetzen, betonten die Rolle, die der arbeitsfreie Sonntag für das Familienleben hat. Ohne den Sonntagsschutz bildeten Familien nur noch eine "Wohngemeinschaft", unterstrich die Geschäftsführerin des Verbandes allein erziehender Mütter und Väter, Sonja Gentzsch. Ohne gemeinsame Freizeit würden Familien "komplett auseinanderbrechen" und noch mehr junge Frauen würden sich gegen ein Kind entscheiden. Gundel Berger vom Familienverband Sachsen-Anhalt sagte, die Stabilität der Familie sei gefährdet, wenn Eltern kaum noch Zeit für ihre Kinder hätten. Ferner verwies sie darauf, dass auch eine Betreuung in Kindertagesstätten an Sonn- und Feiertagen nicht möglich sei. Maria Faber vom Katholischen Familienbund unterstrich die Bedeutung des Wechsels von Arbeit und Freizeit und die Kultur prägende Rolle des Sonntages. Sonntage seien für "zweckfremde Räume nötig, die dem Leben selbst dienen", sagte Al-brecht Steinhäuser, Leiter des Evangelischen Büros. Leben sei "mehr als nur Geld verdienen und ausgeben".
In einem Faltblatt nennt die Interessengemeinschaft neun "Gute Gründe für den Sonntag". Er sei das freie Wochenende für die Beschäftigten im Einzelhandel und "ein Symbol der Freiheit". Er stehe für die Arbeitsruhe und stelle den Menschen in den Mittelpunkt. Zudem wird die Bedeutung des Sonntags als "Familientag" und "Zeitanker der Woche" hervorgehoben. Weiter heißt es, der Sonntag sei das "größte Geschenk der jüdischchristlichen Überlieferung". An ihm sei der Mensch aufgefordert, zu feiern, Kultur zu leben und sich nicht "von Arbeit und Geschäftigkeit in Besitz nehmen zu lassen".
Selbstverständlich unterstütze die katholische Kirche alle Anstrengungen, die zu einer wirtschaftlichen Erholung und Stabilisierung des Landes führten, betonte Rether, um Missverständnissen vorzubeugen. Dafür sei aber die Demontage des Sonntags völlig unnötig. Das belegten statistische Zahlen. Auch sei die Zahl der Sonntagsbeschäftigten im ostdeutschen produzierenden Gewerbe mit sechs Prozent schon heute fast doppelt so hoch wie im Westen. Rether: "Es ist gut und richtig wenn der Rubel rollt -es ist fatal, wenn er alles andere überrollt." Mit welchen Aktionen "Pro Sonntag" auf sein Anliegen jetzt weiter aufmerksam machen will, dazu gab es am Gründungstag noch keine Auskünfte. Wer das Anliegen unterstützen will, sei aber aufgerufen, sich zu beteiligen.
Kontakt:
Katholisches Büro,
Max-Josef-Metzger-Str. 2,
39104 Magdeburg,
Tel. (03 91) 59 61-160.
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Donnerstag, 10.10.2002