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Bistum Erfurt

Ein Stück konkrete Diaspora

Vor 50 Jahren wurde die Kirche in Stotternheim geweiht / Festwoche und Tag der offenen Tür

Erfurt -Nach dem Krieg kamen sie: katholische Christen aus dem Sudetenland, Schlesien, Ostpreußen und den deutschsprachigen Gebieten Rumäniens und Jugoslawiens. Rund 500 kamen auch nach Stotternheim und Umgebung, wo zuvor nur eine Hand voll Katholiken lebte. Und wie überall in Deutschland suchten die Vertriebenen eine neue Heimat. Zu dieser Heimat gehörte auch der Glaube. Und zum Glauben gehörte der Gottesdienst in der "eigenen" Kirche. Am 5. Oktober 1952 konnte die katholische Kirche in Stotternheim eingeweiht werden. Aus den Provisorien -zuvor fand der Sonntagsgottesdienst im Gasthof des Ortes statt -wurde ein Gemeindezentrum, das Kirche, Pfarrhaus und Gemeinderäume vereinte. Gegen viele Widerstände seitens der staatlichen Stellen und das Misstrauen der "Alteingesessenen", aber mit Engagement und dem Einsatz aller Kräfte wurde der Kirchbau errichtet. Danach erging es der Stotternheimer Gemeinde wie vielen anderen Diasporagemeinden in Thüringen.

Es entwickelt sich ein reges Gemeindeleben, bei dem vertriebene Menschen mit Hilfe des Glaubens nicht entwurzelt leben, sondern ein "geistliches Zuhause" finden. Es entsteht auch ein gutes ökumenisches Miteinander. Gleichzeitig lassen Weiterwanderungen nach dem Westen, Umzüge und eine schleichende Distanzierung von der Kirche die Zahl der Gemeindeglieder bis 1989 schrumpfen. Seit der Wende steigt die Zahl wieder -langsam. Die Gründe: ein neues Wohngebiet und Zuzüge aus den katholischen Gebieten ganz Deutschlands. Auch dies ist typisch für viele Diasporagemeinden Thüringens. Mit den "Neuen" kommen auch wieder neue Formen des Engagements in die Gemeinde: Mutter- Kind-Kreis, Frauenkreis und eine "Kirchenseite" im Ortsblatt sind Beispiele dafür.

Zum 50-jährigen Kirchweihjubiläum veranstaltete die Gemeinde eine ganze Festwoche mit ökumenischem Gottesdienst, einem geistlichen Vortrag mit Chormusik und einem bunten Abend. Ein Tag der offenen Tür am 3. Oktober lud vor allem Nichtkatholiken ein, die versteckt liegende Kirche einmal von innen anzuschauen.

Eine Ausstellung "50 Jahre St. Marien in Stotternheim" zeigt Menschen, erinnert an Feste und Aktionen und zeichnet so den Weg der Gemeinde nach. Am 6. Oktober wird der Festgottesdienst mit Weihbischof Hans-Reinhard Koch gefeiert. Hier wird ein Stück konkrete Diaspora in Thüringen vor Gott gebracht.

Kurt Herzberg

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 40 des 52. Jahrgangs (im Jahr 2002).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Donnerstag, 10.10.2002

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