Zum ersten Mal Herdelezi
Caritas-Beratungs- und Begegnungszentrum Magdeburg: Roma feierten ihr Fest
Magdeburg (mh) - So wie Klaus Skalitz von der Bistumscaritas dürfte es manchem Besucher des Herdelezi-Festes gegangen sein. Er sei ganz gespannt auf diesen Nachmittag, denn er wissen noch wenig von der Kultur der Roma, schloss er sein Grußwort, in dem er auch die Grüße des Magdeburger Bischofs Leo Nowak überbrachte. Natürlich blieben er und die anderen Gäste nicht unwissend: Herdelezi ist das bedeutendste Fest im Jahreskalender der Roma. Es wird jedes Jahr Anfang Mai gefeiert in Erinnerung an die Vorfahren. 500 Jahre habe des Volk der Roma in größter Armut gelebt, "und der Wunsch unserer Vorfahren war es, diese Armut einmal zu überwinden", erklärte ein Vertreter der Roma. Zugleich ist Herdelezi ein Fest des Neuanfangs. "Wir schmücken unsere Häuser mit Frühlingsblumen und beten für eine gute Zukunft im nächsten Jahr."
Über 100 in Magdeburg lebende Roma feierten ihr Herdelezi-Fest in diesem Jahr im Interkulturellen Beratungs- und Begegnungszentrum (IKZ) der Caritas in Magdeburg-Buckau. Neben der Beratungsarbeit - hierüber war auch der Kontakt zu den Roma entstanden - sei es ein wichtiges Anliegen des Zentrums, den Menschen, die nach Deutschland gekommen sind, die Möglichkeit zu bieten, hier ihre Religion und Kultur zu leben, erklärt IKZ-Koordinator Nguyen Tien Duc, ein Vietnamese. "Wir wollen den Menschen das Gefühl geben, dass sie willkommen sind." Und so reiht sich das Roma-Fest, das in diesem Jahr zum ersten Mal im IKZ gefeiert wurde, in die Reihe von Festen anderen Kulturen ein: vom Burundi-Abend bis zum vietnamesischen Tet-Fest.
Auf dem Hof spielt die Roma-Musikgruppe "Der heiße Kuss" Volkslieder. Zwei, dann drei Männer stehen auf, fassen sich an die Hände und tanzen im Kreis. Nach und nach vergrößert sich der Kreis: Männer und Frauen, Jungen und Mädchen, Alte und Junge - sie halten sich an den Händen und tanzen. Freude und Ausgelassenheit - auch als zum Abendessen mit Spezialitäten aus der Küche der Roma eingeladen wird.
Platz war an diesem Tag aber auch für die dunklen Seiten: Tahiri Ekrem, ein Roma, der in Kroatien als Journalist gearbeitet hat und seit einiger Zeit in Magdeburg lebt, erzählt von der Geschichte seines Volkes: Roma, Sinti und Kale - in Deutschland oft abwertend als Zigeuner bezeichnet - gehörten einst gemeinsam zum Volk der Rom (zu deutsch: Mensch) in Nordindien. Während die Sinti seit über 500 Jahren in Mitteleuropa leben, blieben die Roma auf dem Balkan, wo sie häufig Vertreibung und Verfolgung ausgesetzt waren. Vor allem in der Folge des Ersten Weltkrieges kamen Zehntausende nach Deutschland. Den Höhepunkt der Verfolgung erlebten die Roma während des Nationalsozialismus. Etwa eine halbe Million Menschen fiel der Vernichtungspolitik zum Opfer.
Diejenigen, die den Holocaust überlebten und in Deutschland blieben, seien heute weitgehend integriert, berichtete Tahiri Ekrem. Nach 1945 kamen Roma noch einmal in drei Wellen nach (West-)Deutschland: eine erste Gruppe ab Anfang der 60er Jahre als Gastarbeiter. Damals behielten viele für sich, dass sie Roma waren, um der Ausgrenzung zu entgehen. Ihre Kinder sind heute meist vollständig integriert, arbeiten als Facharbeiter, Sozialarbeiter, Journalist oder Erzieher. Anfang der 70er Jahre kamen heimatlose Roma, die in anderen westeuropäischen Ländern wachsenden Schikanen und im kommunistischen Ostblock zunehmenden Restriktionen unterworfen waren. Sie hoffen auf Aufenthaltsgenehmigung, was aber nur in einigen Großstädten gelang. Eine letzte Welle folgte ab Anfang der 80er Jahre mit dem beginnenden Zerfall des Ostblocks und vor allem während des Krieges in Jugoslawien.
An die Verfolgung während der NS-Zeit erinnerte auch Caritas-Vertreter Skalitz: Dieses Fest im IKZ solle ein kleiner Beitrag zur Wiedergutmachung sein. "Wir bitten um Vergebung!"
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Donnerstag, 10.05.2001