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Bistum Erfurt

Eigener Fonds war weise Entscheidung

Zum Stand der Entschädigung der Zwangsarbeiter in der katholischen Kirche

Erfurt (mh) -In Einrichtungen der katholischen Kirche in Deutschland waren in der Zeit des Nationalsozialismus rund 3500 Zwangsarbeiter beschäftigt. Das hat eine Untersuchung in 30 000 katholischen Einrichtungen ergeben, die bis zum Jahresende abgeschlossen werden soll. Über diesen Stand der Untersuchungen und das Bemühen der katholischen Kirche, die ehemaligen Zwangsarbeiter zu entschädigen, berichtete jetzt Dr. Karl Joseph Hummel von der Kommission für Zeitgeschichte der katholischen Kirche aus Bonn. Eingeladen zu der Veranstaltung hatten das Katholische Forum im Land Thüringen und die Landeszentrale für politische Bildung.

Bei ihrem Bemühen um Entschädigung stehe die Kirche vor allem vor einem Zeitproblem. 534 ehemalige Zwangsarbeiter seien inzwischen verstorben. In 300 Fällen sei die Entschädigung bewilligt, erklärte Hummel. Aber besonders in den Ländern östlich von Polen gestalte sich die Ermittlung des heutigen Aufenthaltsortes der ehemaligen Zwangsarbeiter schwierig. Auch die Übergabe eines für dortige Verhältnisse relativ hohen Geldbetrages sei teilweise problematisch. "Mancher Mensch in Weißrussland hatte in seinem Leben noch nie ein Konto."

In der katholischen Kirche seien nur etwa ein halbes Prozent aller Zwangsarbeiter beschäftigt gewesen. Häufig seien entsprechende Anforderungen auch nicht von der Kirche ausgegangen, da viele kirchliche Einrichtungen für andere Zwecke etwa als Lazarett genutzt wurden. Mitunter war die Beschäftigung von Zwangsarbeitern zum Beispiel in großen Klosteranlagen auch nötig, um eine solche für die Region wichtige wirtschaftliche Einrichtung nicht schließen zu müssen. Trotz all dieser Umstände und auch trotz der häufig überlieferten guten Behandlung der Zwangsarbeiter in den kirchlichen Einrichtungen wertete Hummel die Beschäftigung von Zwangsarbeitern als ein "bedrückendes Beispiel für die weitreichende Einbindung der Kirche in ein totalitäres Regime".

Hummel erläuterte ausführlich, wie es zu dem eigenen Weg der katholischen Kirche für die Entschädigung ihrer Zwangsarbeiter gekommen ist. Die Entschädigungsdebatte nahm ihren Anfang nach der Unterzeichnung des Zwei-plus-Vier-Vertrages im Zusammenhang mit der deutschen Einheit, der als Quasi- Friedensvertrag gewertet wurde. Die Befürchtungen der deutschen Industrie -vor allem durch Klagen ehemaliger Zwangsarbeiter in den USA -führten zur Gründung einer Bundesstiftung zur Entschädigung. Als sich abzeichnete, dass der von der Industrie zu leistende Beitrag von fünf Milliarden Mark für diese Stiftung nur sehr zögerlich zusammen kam, habe es zahlreiche Appelle gegeben, die sich an die Verantwortung aller Deutschen richteten. "Aus einer juristischwirtschaftlichen Angelegenheit wurde eine moralische", erklärt Hummel. In dieser Situation habe die evangelische Kirche zehn Millionen Mark für die Bundesstiftung zur Verfügung gestellt. "Das hat die katholische Kirche in Zugzwang gebracht." Die Medien widmeten sich von nun an vor allem einem Thema: der Weigerung der katholischen Kirche. Und verschiedene Medienberichte rückten sie allmählich auf die Seite der Täter.

Entschädigung und Versöhnung

Hummel: "In dieser Mediendrucksituation und mit Nullkenntnisstand -bis dahin gab es lediglich einige Erkenntnisse über die seelsorgliche Betreuung von Zwangsarbeitern -begannen wir die Nachforschungen." Den in der Folge errichtete eigene Fonds der katholischen Kirche wertete Hummel als "weise Entscheidung". Fünf Millionen Mark wurden für die Entschädigung, weitere fünf Millionen für einen Versöhnungsfonds zur Verfügung gestellt. Der Versöhnungsfonds unterstützt vor allem Projekte der Jugendarbeit, die helfen, das Bewusstsein für diesen Teil deutscher Vergangenheit wach zu halten.

Der eigene Weg der katholische Kirche erweise sich als richtig, weil die Mittel der Bundesstiftung nicht ausreichen würden, die Zwangsarbeiter in katholischen Einrichtungen zu entschädigen. Zwangsarbeiter werden in drei Kategorien eingeteilt, erklärte Hummel. Die beiden ersten Kategorien -KZ-Häftlinge und inhaftierte Zwangsarbeiter, die vor allem in der Industrie eingesetzt wurden -habe es in katholischen Einrichtungen nicht gegeben. Dort seien ausschließlich die sonstigen, vor allem in der Landwirtschaft beschäftigten Zwangsarbeiter tätig gewesen. "Die Mittel der Bundesstiftung werden aber voraussichtlich nur ausreichen, die Vertreter der ersten Kategorien zu entschädigen." Bei einer Beteiligung der Kirche an der Bundesstiftung wären ihre eigenen Zwangsarbeiter aller Voraussicht nach leer ausgegangen.

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 42 des 52. Jahrgangs (im Jahr 2002).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Freitag, 18.10.2002

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