Rückzug verleugnet eigenen Anspruch
Religionspädagoge Werner Tzscheetzsch zur Aufgabe von Verbänden und zu Meisners Kritik
Freiburg (gs) -Unverzichtbare Glaubensarbeit bescheinigt der Freiburger Professor für Religionspädagogik und Katechetik Werner Tzscheetzsch den Mitgliedsverbänden im Bund der deutschen katholischen Jugend (BDKJ): "Sie leisten Hervorragendes mit Blick auf die Spiritualität von Kindern und Jugendlichen - dort, wo andere Sozialisationsinstanzen religiöse Inhalte gar nicht mehr ansprechen", sagte Tzscheetzsch dieser Zeitung. Er kritisierte zugleich, die Verbände hätten es versäumt, ihre eigene Qualität "laut und deutlich" ins Bewusstsein der Kirchenführer zu heben. Der Wissenschaftler wünscht sich "Orte in der Kirche", an denen sich die unterschiedlichen Jugendverbände - auch die den neuen geistlichen Bewegungen nahe stehenden Gruppen -über ihre jeweilige Spiritualität austauschen können. So ließen sich "unliebsame Konkurrenzen" vermeiden, die in der Spiritualität des anderen immer nur "die falsche" sähen.
Vor dem Hintergrund der Kritik des Kölner Kardinals Joachim Meisner an kirchlichen Verbänden wie dem BDKJ verweist Tzscheetzsch darauf, dass der BDKJ als Dachverband den Kindern und Jugendlichen eine Stimme im politischen Raum verleihen müsse. Das habe mit "Klein-Fritzchen" zwar zunächst nichts zu tun, sei aber von Bedeutung für sein Hineinwachsen in die Gesellschaft.
Generell sieht der Wissenschaftler den Sinn von Institutionen und Verbänden in der Kirche darin, an der Nahtstelle von Kirche und Gesellschaft "Kompatibilität" herzustellen - nicht im Sinne einer Anpassung, sondern um den eigenen Anspruch "in die Welt hinein" verständlich zu machen. Wenn die Kirche sich stattdessen an einen "sehr warmen und heilen Ort" zurückzöge, würde sie wichtige Impulse des Zweiten Vatikanischen Konzils verleugnen, warnt der Religionspädagoge.
Eine "Überstrukturierung" der Kirche vermag der Wissenschaftler nicht zu erkennen. Tzscheetzsch räumt aber ein, die Kirche sei wie jede andere große Organisation in der Gefahr, an bestimmten Stellen zu erstarren. Auch sei in der Kritik Meisners, wonach Strukturen und Papiere das Leben erdrücken könnten, ein "wahrer Kern". Seiner Erfahrung nach hätten aber die einzelnen Gruppen in der Kirche selbst die Kraft, "dort, wo Papier das Leben zu ersticken droht, Papier auch wieder zurückzunehmen, Erstarrungen zu überwinden, wo sie den Betrieb stören".
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Freitag, 18.10.2002