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Aus der Region

Im Schatten des Terrors

Indonesiens Religionsführer nach Bombenanschlägen um Entspannung bemüht

Bonn (kna/nov) - Der Schock sitzt tief: Nach den Anschlägen auf Bali fürchten viele Indonesier, dass die Spannungen zwischen den Religionsgruppen zunehmen. Die 5000 Kilometer lange Inselbrücke zwischen ostasiatischem Festland und Australien bietet eine religiös wie ethnisch schillernde Landschaft. Mit mehr als 180 Millionen Muslimen bevölkerungsreichstes Land des Islam, gibt es doch auch christliche "Inseln" in dem 13 600-Insel-Staat. Rund zehn Prozent der Bevölkerung, vor allem im Osten Indonesiens, bekennen sich zum Christentum. In Teilen Sumatras missionierten niederländische Protestanten. Im Osten des Landes, vor allem in Teilen Sulawesis, auf den Molukken, auf Westtimor sowie dem kürzlich unabhängig gewordenen Osttimor, überwiegt der Katholizismus.

Das Zusammenleben der Religionen ist in den meisten Regionen von Toleranz geprägt. Seit knapp drei Jahren machen jedoch Konflikte zwischen Muslimen und Christen auf Sulawesi und auf den Molukken Schlagzeilen. Auf Flores oder Java gab es kleinere Zusammenstöße. Auf Bali aber musste sich die katholische Kirche bislang nur über die negativen Folgen des Tourismus wie Drogengenuss, Alkoholismus oder sexuelle Freizügigkeit Sorgen machen. Der den Islamisten zugeschriebene Anschlag in der Urlauberhochburg Kuta hat nun die Lage deutlich verschärft.

"Der Islam Indonesiens"-schon eine solche Formulierung würde der Vielfalt der islamischen Gruppierungen und Strömungen kaum gerecht. Im 14. Jahrhundert durch Kaufleute eingeführt, wurde die Religion des Propheten Mohammed in stark lokal geprägter Form allmählich zum vorherrschenden Glauben der Inselregion: Daher sind in unterschiedlicher regionaler Ausprägung auch hindubuddhistischer Synkretismus sowie animistische Einflüsse zu beobachten. Fest steht, dass der ostasiatisch geprägte Islam Indonesiens nur wenige der Merkmale besitzt, die der Westen am Islam arabischer Prägung beargwöhnt. Im Gegenteil: Zunehmend diskutieren muslimische Intellektuelle des Landes die Frage, inwiefern Indonesien eine "Arabisierung" der Religion drohe.

Im Land selbst sind auswärtig gesteuerte islamistische Extremisten, etwa die Gruppierung "Laskhar Dschihad", aktiv. Sie bilden eine kleine aber lautstarke und gewaltbereite Minderheit. Ihre Überzeugung, in naher Zukunft eine führende politische Rolle übernehmen zu können, ist zwar nach übereinstimmender Meinung von Beobachtern eine Illusion. Noch Anfang November 2001 lehnte der einflussreiche Verfassungsrat mit überwältigender Mehrheit einen Antrag der Islamisten ab, das Islamrecht Scharia in die "Pancasila", die offizielle religionsübergreifende Staatsphilosophie Indonesiens, aufzunehmen. Dennoch: Nicht nur Kirchenvertreter äußern die Sorge, dass die Frustration über die anhaltende Wirtschaftskrise und die durch mehrere Regierungen fortdauernde Korruption Teile der verarmten muslimischen Bevölkerung in die Arme der Islamisten treiben könnten.

Aufgeschreckt durch die Ereignisse auf Bali verurteilten nun Vertreter von Muslimen, Katholiken, Protestanten, Buddhisten und Hindus nach einem Treffen am Montag die Anschläge als "Verbrechen gegen die Menschlichkeit". "Keine Religion rechtfertigt eine solch schreckliche Tat, die sich gegen die Menschlichkeit richtet", sagte ein Sprecher der größten muslimischen Organisation, der Nahdlatul Ulama nach Angaben der Tageszeitung "Jakarta Post". Die katholischen Bischöfe warnten alle Bürger vor Hass- und Rachegefühlen.

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 42 des 52. Jahrgangs (im Jahr 2002).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Freitag, 18.10.2002

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