Hilfe für den Neuanfang Straffälliger
Caritasverband beteiligt sich am Modellprojekt "Haftvermeidung durch soziale Integration"
Cottbus / Spremberg (mim) -Hubert J. (Name von der Redaktion geändert) kam vor kurzem aus dem Gefängnis. Eigentlich hätte er einige Wochen länger in Haft bleiben müssen. Doch weil er sich gut geführt hatte und eine Wohnadresse vorweisen konnte, wurde er früher in die Freiheit entlassen. Allein hätte Hubert J. die Wohnung nie finden können. Sozialarbeiter Michael Schwarz von der Caritas-Kreisstelle Cottbus war ihm dabei behilflich.
Schwarz kennt die Probleme, mit denen Haftentlassene zu kämpfen haben: "Straffällige, die aus ihrer Haft entlassen werden, stehen oft vor dem Nichts. Sie haben keine Wohnung, kein Geld und keine Arbeit. Soziale Beziehungen sind da ungeheuer wichtig, um einer erneuten Straffälligkeit vorzubeugen", sagt der Diplom- Sozialarbeiter.
Weniger Rückfälligkeit durch Arbeitsstelle
Die Anlauf- und Beratungsstelle für Straffällige in Cottbus ist Teil eines Modellprojektes zur "Haftvermeidung durch soziale Integration" (HSI). Michael Schwarz leitet dieses Projekt für den Landgerichtsbezirk Cottbus. "Für Haftentlassene ist eine Arbeitsstelle eine wesentliche Voraussetzung, wieder in ein normales Leben zurückzufinden. Deshalb spielen Hilfen, einen Arbeitsplatz zu finden, eine wichtige Rolle in diesem Projekt", erläutert Schwarz. Aus Untersuchungen geht hervor, dass rund 80 Prozent der Haftentlassenen seltener rückfällig werden, wenn sie sich in einem Beschäftigungsverhältnis befinden.
"Wenn jemand mal im Gefängnis war, steht er bei den Arbeitgebern nicht gerade ganz oben auf der Wunschliste", sagt Schwarz. Diese Erfahrung musste auch Hubert J. machen. Aber mit Hilfe der Anlauf- und Beratungsstelle für Straffällige fand er nach längeren Bemühungen einen Job bei einer Montagefirma in den alten Bundesländern.
Um Haftentlassenen die schwere Integration in den Arbeitsmarkt zu ebnen, setzt sich die Caritas-Kreisstelle Cottbus auch mit möglichen Arbeitgebern in Verbindung. Mit Vertretern der Arbeitgerber- sowie der Straffälligenseite wird in Gesprächen versucht, Kontakte zwischen Haftentlassenen und Firmeninhabern herzustellen. "Meist haben wir dabei auch Erfolg, denn wir gewährleisten, auch nach der Arbeitsvermittlung Ansprechpartner für beide Seiten zu bleiben", so Schwarz. Auf diese Weise ist auch Hubert J. zu einer Arbeitsstelle gekommen.
Um möglichst viele Straffällige bei dem Übergang in die Freiheit zu unterstützen, besucht Michael Schwarz einmal pro Woche die Inhaftierten der Justizvollzugsanstalten in Cottbus und Spremberg. Dort führt er vor Ort auf Wunsch Beratungsgespräche durch und bietet jenen Insassen Hilfe an, deren Entlassung bevorsteht.
Manchmal kommen aber auch Angehörige eines Haftentlassenen zu einer der Außenstellen in Cottbus und Spremberg, weil sie sich Sorgen um ihr Familienmitglied machen. "Auch dann treten wir mit dem Insassen in Kontakt und versuchen, ihm unsere Hilfe anzubieten. Das ist nicht immer leicht, denn viele der Straffälligen sind verbittert und lehnen jegliche Hilfe ab", berichtet der Sozialarbeiter. "Während der Haft brechen oft alle sozialen Kontakte ab. Somit stellt unsere Hilfe den einzigen Strohhalm für die Straffälligen dar und sie kooperieren dann doch mit uns."
Neben der Unterstützung bei der Suche einer Arbeitsstelle oder eines Ausbildungsplatzes werden auch Bildungsseminare angeboten, um die Chancen der Haftentlassenen auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern. Zudem versuchen die Mitarbeiter der Beratungsstelle dem Betroffenen auch bei Problemen wie Sucht und Schulden oder Schwierigkeiten in der Partnerschaft zu helfen, denn "eine Wiedereingliederung in die Gesellschaft ist nur möglich, wenn wieder soziale Kontakte entstehen", so Schwarz.
Chance für ein Leben ohne Straftaten
Hubert J. ist mit Hilfe der Beratungsstelle ein Wiedereinstieg in ein normales Leben ohne Straftaten gelungen. Caritas-Sozialarbeiter Schwarz hofft, noch vielen anderen Haftentlassenen auf gleiche oder ähnliche Weise helfen zu können. "Einen Straffälligen für eine Zeit wegschließen und wieder frei lassen, das macht aus ihm noch keinen besseren Menschen. Durch Gespräche, gesellschaftliche Kontakte und Integration haben Straffällige eine Chance zu einem Leben ohne Strafen und Gefängnis. Und diese Chance wollen wir ihnen durch das Projekt geben."
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Donnerstag, 24.10.2002