Worte sollen aufbauend sein
Was wir mit unseren Worten vermögen
Der Dichter Eugen Roth schildert auf humorvolle Weise, wie ein loses Mundwerk zerstören, entzweien und Unfrieden stiften kann: Ein Mensch, in seiner ersten Wut, / tut, was sonst nur ein Unmensch tut: / Er lässt sich, bös auf einen zweiten, / zu übler Schimpferei verleiten -/ was dieser zweite erst erfährt, / als längst der alte Streit verjährt. / Der zweite, jetzt mit Wut geimpft, / gewaltig auf den Menschen schimpft. / Was diesem, trotz Verschweigensbitte, / brühwarm berichtet nun der dritte. / Jetzt bricht der Mensch, kein Zorn-Verberger, / jäh mit dem zweiten, voller Ärger: / Er lässt sich, bös auf einen zweiten, voller Ärger / und der mit dem, der nicht gezaudert / und das Geschimpfe ausgeplaudert. / Der dritte grollt natürlich beiden: / Drei können nie sich wieder leiden. / Ein vierter, brav, als Brückenschläger, / wird abgetan als Zwischenträger, / ein fünfter, allen vier gewogen, / wird in den Streit hineingezogen, / und auch dem sechsten, siebten, achten / missglückt's, zu einen die Verkrachten. / Ein alter Freundeskreis zerfällt, wenn einer nur sein Maul nicht hält."
Haben wir nicht schon ähnliche Erfahrungen gemacht? Ertappen wir uns nicht immer wieder selbst dabei, dass wir ohne rechten Grund schlecht über unsere Mitmenschen reden, ihre Fehler und Schwächen breittreten? Ein Großteil unserer täglichen Konversation handelt vom lieben Nächsten! Das ist leider auch in klösterlichen Gemeinschaften und anderen kirchlichen Kreisen so. Wir müssen uns von Paulus fragen lassen: "Trägt euer Reden zum Aufbau der Gemeinde bei?"
Paulus fordert seine Leser und Hörer auf, in ihrem Reden die Erbauung, den Aufbau der Gemeinde zu fördern. Von den der Gemeinde geschenkten besonderen Gnadengaben schätzt er die prophetische Rede höher als das in Verzückung vorgebrachte Zungenreden, das ein Reden zu Gott ist: "Wer aber prophetisch redet, redet zu Menschen: Er baut auf, ermutigt, spendet Trost. Wer in Zungen redet, erbaut sich selbst; wer aber prophetisch redet, baut die Gemeinde auf" (1 Kor 14,3-4). Hier geht es um konstruktive, positive Rede, die aufbaut, ermutigt tröstet. Das im griechischen Urtext für "Aufbau" verwendete Wort oikodome bedeutet wörtlich "Hausbau". Man schafft für den Nächsten damit ein Zuhause, eine Heimat in der Gemeinde. Er fühlt sich angenommen, bekommt ein Gefühl der Zugehörigkeit und des Vertrauens.. In ähnlicher Weise ermahnt uns auch der Epheserbrief (4,29): "Kein faules Wort entfahre eurem Mund, sondern wenn überhaupt: Ein gutes -zum Aufbau, wo man es braucht, damit es die Hörer beschenke." Die Zunge ist ein mächtiges Instrument, gebraucht zum Aufbau und zur Zerstörung, zum Segen und zum Fluch (vgl. Jak 3).
Pater Damian Meyer
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Donnerstag, 24.10.2002