Mit Megapostern Geld verdienen
Dombaumeister diskutieren Werbung an Kirchtürmen

Frankfurt/Osnabrück - Wenn die Frankfurter im Dezember ihre Weihnachtseinkäufe in der City erledigen, werden sie sich vermutlich verwundert die Augen reiben. In 40 bis 65 Meter Höhe prangt dann am gotischen Turm des alten Kaiserdoms ein riesiges Werbeplakat. So planen es zumindest die Mitarbeiter der Agentur Megaposter. Die bekam von der Stadt Frankfurt als Eigentümerin des Doms den Zuschlag, das gewaltige Baugerüst an dem Gotteshaus als Werbefläche zu vermarkten. "Wir machen das nicht aus Jux und Dollerei", sagt Robert Sommer, im städtischen Hochbauamt zuständig für die historischen Gebäude der Metropole am Main. Das Geld bei Kommunen und Kirchen ist knapp. Lukrative Werbeverträge bieten einen bequemen Ausweg, wenn die eigenen Mittel nicht reichen, um alte Bausubstanz zu erhalten. 30 000 Euro bringt zum Beispiel Monat für Monat das Megaposter eines Autoherstellers an der Alten Oper in Frankfurt, das in diesen Tagen aufgehängt wird.
Kölner Domkapitel bleibt standfest
Trotzdem findet großflächige Werbung an Kirchtürmen nicht überall Zustimmung. In Osnabrück diskutierten jetzt Dombaumeister aus Deutschland, der Schweiz und Österreich ihre Probleme mit den Riesenplakaten. Eindeutig ist die Position in Köln: "Das Domkapitel sagt grundsätzlich Nein", berichtete Dombaumeisterin Professor Barbara Schock-Werner. Auch die Kölner wissen natürlich um die Versuchung der gebotenen Geldbeträge. Damit erst niemand wankend wird, hat das Kapitel deshalb auch gleich jegliche Gestaltung durch kirchliche Einrichtungen oder Künstler untersagt. Die Gerüste am Kölner Dom bleiben grau. Für den Kommerz ist dort kein Platz.
Anders die Situation in Dresden. In der Hauptstadt Sachsens hatte der Stiftungsrat für den Wiederaufbau der Frauenkirche bereits seine Einwilligung zum großflächigen Werbeeinsatz am Baugerüst gegeben. Erst die vorgelegten Entwürfe lösten bei den Mitgliedern des Stiftungsrates noch einmal ein Nachdenken aus, berichtete Baumeister Eberhard Burger. "Nur eine Kirche?" so wäre eine Abbildung der fertigen Frauenkirche auf dem Megaposter betitelt gewesen. Daneben das Bild eines Automobils mit Stern und die Frage "Nur ein Auto?". Das war dann doch zuviel für die Stiftungswächter.
Gerd Henrich, Mitarbeiter der Agentur Megaposter, kennt die Bedenken kirchlicher Entscheidungsträger: "Wir nehmen Rücksicht auf die Würde des Gebäudes", versucht er die Sorgen derjenigen zu zerstreuen, die nicht dastehen möchten wie jene Händler, die Jesus einst aus dem Tempel vertrieben hat. Trotz Wirtschaftskrise ist Henrich überzeugt, die luftige Werbefläche am Frankfurter Dom lukrativ vermarkten zu können. "Ein tolles Projekt", sei dieser 95 Meter hohe Kirchturm mitten in der Finanzmetropole - "auch wenn da nicht jeder in Frage kommt". Plakatentwürfe werden zur Genehmigung erst den städtischen Behörden vorgelegt, bevor die Megaposter am Turmgerüst befestigt werden. Und auch Dompfarrer Raban Tilmann darf einen Blick auf die Entwürfe der Werbegrafiker werfen - ein Vetorecht hat er allerdings nicht. Entscheiden wird in diesem Fall allein die Stadt Frankfurt als Eigentümerin des Doms.
Durchbruch mit Model und schicken Pullis
Dass kirchliche Domkapitel solche Werbung nicht überall grundsätzlich ablehnen, zeigt ein Blick ins benachbarte Mainz. Dort zierten verschiedene Werbebanner über Wochen das Baugerüst am ehrwürdigen Dom.. Was beim Auftakt mit einem Model für modische Pullis noch für Aufregung in der Bischofsstadt sorgte, wurde schon bald widerspruchslos akzeptiert.
Robert Sommer, der städtische Dombaumeister in Frankfurt, hat Verständnis für Kritik an den Werbeflächen. Vor allem dann, wenn geschlossene denkmalgeschützte Stadtbilder davon betroffen sind. "In unserer bunten und lauten Bankenstadt sehe ich jedoch keine Probleme." Immerhin verspricht der Werbevertrag 20 000 Euro für die Arbeiten am Dom. Und das Monat für Monat während der zweijährigen Bauzeit am Turm.
Bernhard Remmers
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Donnerstag, 24.10.2002